Ernst Krause (Carus Sterne) an Ernst Haeckel, Berlin, 5. Dezember 1876
Berlin Friedenstraße 10. III.
den 5.12.76.
Verehrter Freund!
Durch Übersendung der neuen Auflage der Anthropogenie haben Sie mir eine große Freude gemacht, u. ich danke Ihnen herzlichst dafür. Ich freue mich über die schöne Abrundung u. Ergänzung, sowie über den Erfolg überhaupt, als wenn es mein eigner wäre, denn ich betrachte mich längst mit der Sache verwachsen, u. gleichsam zur Familie gehörig. Leider habe ich in den letzten Zeiten sehr wenig dafür wirken können, da sich mein Befinden durchaus nicht bessern will. Ich habe beinahe den ganzen Sommer in Salzbrunn zugebracht, glaubte auch dort einige Besserung zu verspüren, aber mit dem schlechten Herbstwetter ist wieder Alles in die Brüche gegangen.
Der Aufsatz über die Gasträa-Theorie ruht seit Sommer im Redaktionspulte der Gartenlaube, es scheint dort wieder anderer Wind zu wehen, u. namentlich mögen wohl Brehm u. Voigt dem alten Keil Vorstellungen a machen, sich nicht auf so gefährliche Neuerungen einzulassen. In der letzten Nummer (48) der Gartenlaube befindet sich ein Artikel von Carl Vogt, in welchem er überb die Seescheiden als Urahnen des Menschen nach Kowalewsky-Häckel’schen Vorstellungen witzelt. Ich habe sogleich eine energische Verwahrung eingesendet, in welcherc ich age, daß Vogt gegen ein Phantom kämpfe, welches er in seinem Mißverstehen sich selbst schaffe, sofern kein andrer Naturforscher vor ihm die Seescheiden für Ahnen || des Menschen gehaltend. In seiner Gemüthsruhe hält er es nämlich ebenso wenig für nöthig, die Ansichten anderer zu präcisiren, wie seine eigenen u. das kann man sich denn doch nicht gefallen lassen. Ich bin sehr begierig darauf, was Keil mit meinem ihm gewiß höchst unbequemen Proteste thun wird.
Wissen Sie darum, daß die Revue scientifique ihre Diatribe gegen Michaelis u. Agassiz aus „Ziele u. Wege“ wörtlich zum Abdruck gebracht hat? In der vorige Woche ausgegebenen Nummer 22. Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß auch Frankreich zu reagiren beginnt.
Mit herzlichsten Grüßen
Ihr
treulich ergebener
Ernst Krause
a gestr.: zu; b irrtüml. gestr.: über; c korr. aus: welchem; d korr. aus: halte