Altmann-Bronn, Ida

Ida Altmann-Bronn an Ernst Haeckel, Rombach (Lothringen), 14. September 1913

Rombach (Lothringen), den 14.9.1913

Gartenstrasse 17I

Hochverehrter Herr Professor!

Ihre Botschaft an den jüngst abgehaltenen Monistenkongreß bewies uns, daß Sie in unveränderter Weise an den Arbeiten Anteil nehmen, die zum Ziele haben, die auf wissenschaftliche Forschung begründete Weltanschauung zum Siege zu führen. So darf ich wohl hoffen, daß auch Ihr körperliches Befinden gut, Ihre durch den vor zwei Jahren erlittenen Unfall erschüttert gewesene Gesundheit wieder völlig hergestellt ist.

Wahrscheinlich hat man vom Internationalen Freidenkerbunde aus Ihnen die Drucksachen bezüglich des anfangs Oktober in Lissabon stattfindenden Kongresses zugesandt. Vielleicht hat sich auch der Deutsche Freidenkerbund in dieser Angelegenheit an Sie gewandt. Da ich jedoch von keiner Seite hierüber Nachricht erhalten habe, bin ich so frei, wieder persönlich an Sie heranzutreten, || um Sie zu bitten, dem Kongreß ein Wort der Ermutigung zu senden, das, wie immer, den Verhandlungen Schwung und Begeisterung verleihen wird.

Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Erziehungsfrage, und da kann ein Wort einer so überragenden Persönlichkeit wohl richtunggebend werden für die Gestaltung des öffentlichen Erziehungswesens dieses seit drei Jahren in seinem öffentlichen Leben so scharf von der Kirche getrennten Landes.

Falls Sie, verehrungswürdigster Meister, es für zweckmäßig halten sollten, auch die Stellung des Monistenbundes zu den übrigen freigeistigen Bestrebungen gekennzeichnet zu sehen, könnte es für die internationale Freidenkerbewegung wie für den Monistenbund recht förderlich sein, wenn auf eine Anregung von Ihnen Herr Professor Ostwald eine Vorlegung seiner Stellungnahme und einige Angaben über die bisherige Entwickelung des Monistenbundes machen würde.

Wenn ich mir die Freiheit nehme, Sie auch hiermit zu behelligen, so geschieht es, || weil ich Ihre tatkräftige Teilnahme an allen den Klerikalismus bekämpfenden Bestrebungen ebenso wie die Bedeutung eines Wortes von Ihnen kenne, aber auch deshalb, weil ich bisher zum Monistenbunde keine Beziehungen hatte, da er mir in den ersten Jahren seines Bestehens nicht dem zu entsprechen schien, was er nach Ihren Absichten und Ihren Thesen sein sollte.

Sehr erfreulich wäre es, wenn ich Ihre gütige Antwort bis zum 22. hier haben könnte, da wir am 23.9. nach Genua abreisen wollen, um von dort zu Schiff nach Lissabon zu gehen.

In der Hoffnung, daß Sie meine Kühnheit mit meinem Eifer für die gute Sache entschuldigen werden, bin ich mit ehrerbietigsten Grüßen für immer

Ihre getreue Schülerin

Ida Altmann-Bronn.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.09.1913
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8774
ID
8774