Ambach 21. Aug. 1910
Hochverehrter Herr Geheimrat
Excellenz!
Als mir mein Schwiegervater Ihre schönen Bilder übermittelte, über welche meine Frau und ich uns gleich sehr freuten, reiste ich gerade zum Congress nach Brüssel ab. Ich beabsichtigte Ihnen nach meiner Rückkehr gleich zu danken, da dort das Getriebe zu hinderlich war, fand aber hier ein schwer krankes Kind vor. Zum Glück erkannte ich noch, dass es eine böse intestinale Sache sei und in der That ergab die Probelaparotomie in || München eine schon weit fortgeschrittene Entzündung und Nekrose des Wurmfortsatzes. Sie war ohne jeden örtlichen Schmerz, ja ohne Leibweh verlaufen, nur ein ganz gelegentlich auftretender Reflex der Bauchmuskeln, von dem ich zufällig gehört hatte, verriet die peritoneale Reizung. Die Operation verlief gut und einige Tage später trat auch endgültige Besserung ein. Jetzt sind wir ausser Sorge. Es ist aber eine recht empfindliche Unterbrechung der Erholungszeit für alle Beteiligten. ||
Uns haben Ihre wundervollen Reisebeschreibungen und jetzt die Bilder, welche uns zugleich ein wertvolles Andenken an Ihre Freundlichkeit sind, schon lange den Wunsch nach dem Osten erregt. Ich möchte nur, dass meine Berufsverhältnisse sich etwas freier gestalteten. Bald kann ich mein 20jähriges Assistentenjubiläum feiern, befinde mich aber wenigstens dabei in anständiger Gesellschaft, denn bei den Anatomen stagniert ja alles. Auf dem Congress in Brüssel waren viele Ameri-||kaner, recht tüchtige und kluge Leute, die zweifellos immer mehr die Führung im eigentlich wissenschaftlichen Arbeiten übernehmen. Sie haben eben das gesunde Princip, denen, die forschen wollen und können, auch die Zeit dazu zu verschaffen, während bei uns die Masse des Unterrichtes die zu geringe Zahl der Angestellten erdrücken muss. Ich empfinde das als großes Unrecht, das bei der Fülle von jungen Anatomen so leicht beseitigt werden könnte.
Verzeihen Sie diese Klagen. Aber ich vertraue Ihrem Wohlwollen, das Sie oft bewiesen haben
Ihrem dankbar ergebenen
Hermann Braus.