J. Droste
Gellertstr. 33.
Hamburg
Hamburg, 11. December 1918.
Hochverehrte, liebe Exzellenz!
Ich möchte Ihnen vorerst noch den Empfang Ihrer lieben Zeilen vom 11. Juli bestätigen, für die wir Ihnen herzlich danken und wie wir mit dem grössten Interesse gelesen haben.
Die hiesige Firma Michelsen haben wir gestern beauftragt, Ihnen ein Kistchen mit Lebensmitteln zugehen zu lassen, und wir möchten Sie bitten, solche zum Weihnachtsfest als ein kleines Zeichen unserer tiefen Dankbarkeit und Verehrung annehmen zu wollen.
Ungeheuerliche Ereignisse haben sich in den letzten drei Monaten abgespielt; Ereignisse an die wir selbst im Traum nicht gedacht haben würden. Was ist aus unserem lieben Vaterlande geworden? Das von Bismark mit Blut und Eisen geschmiedete deutsche Reich ist zusammen gebrochen und wir stehen auf einer Trümmerstätte. Schmerz und Trauer zerwühlen das Herz eines jeden guten Deutschen. Und wohin man auch sieht, nirgends ist ein ruhender Punkt, an den man sich klammern könnte. Wie in einem Hexenkessel saust alles durcheinander. Kein leiser Hoffnungsschimmer erhellt das fürchterliche Dunkel, welches um uns herrscht. Und dann der Gedanke, dass es unser eigenes Volk ist, das dieses entsetzliche Chaos geschaffen hat. Wir liegen gefesselt am Boden, und unsere Feinde werden dafür sorgen, dass wir für Generationen nicht wieder aufkommen. Wie oft haben wir an Sie in der letzten Zeit gedacht, hätte doch ein gütiges Geschick Sie vor dem Erleben dieser Schmach bewahrt.
Die Gedanken an das, was geschehen und was noch kommen wird, kreisen beständig und sie würden uns immer tiefer hinabziehen, wären nicht zwei Tröster zur Hand, die uns liebevoll für Zeiten das entsetzliche vergessen lassen. Das ist die allgewaltige Natur und die Wissenschaft, sie beide geben uns den Halt, das Leben weiter zu ertragen.
Meine Frau und ich senden Ihnen herzlichste Grüße und verbleiben in treuester Verehrung
Ihre
J. Drostes