Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Emma Engelmann, Berchtesgaden, 18. August 1888

Berchtesgaden 18/8 1888

Hochverehrte Freundin!

Erst heute wird es mir möglich, Ihre liebenswürdigen Zeilen zu beantworten, und Ihnen zu sagen, wie sehr wir bedauert haben, daß unsere Hoffnungen auf Ihre Übersiedelung nach Jena zerronnen sind. Wir hatten uns schon so schön unsren freundschaftlichen Verkehr mit Ihnen ausgemalt, daß uns jetzt die Resignation darauf doppelt schmerzlich wird. ||

Allerdings hatten wir nicht gedacht, daß Sie Beide in Utrecht so feste Wurzeln geschlagen hätten, und daß so vielfach die Verhältnisse den Jenenser vorzuziehen seien. Nach dem, was Willi uns in Jena mittheilte, ist freilich seine dortige wissenschaftliche und persönliche Stellung so angenehm, daß die damit in Jena zu vertauschende kein Aequivalent geboten hätte. ||

Man muß schon ziemlich resignirt sein, und die in Jena factisch bestehende Unabhängigkeit der Existenz sehr hoch schätzen, um dort so zufrieden sein zu können, wie ich es jetzt (im 55.sten Semester!) bin. Anderseits empfindet hier jeder älter werdende Docent jedes Jahr mehr die Isolirung, die dadurch entsteht, daß die älteren Freunde wegziehen, und die jüngeren in stetem Wechsel sich verändern. ||

Hoffentlich besuchen Sie uns trotzdem bald einmal und geben uns Gelegenheit, die Erinnerung an frohe vergangene Stunden wieder aufzufrischen!

Mit freundlichsten Grüßen, und mit den besten Wünschen für Ihr ferneres Wohl

Ihr Sie aufrichtig verehrender

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.08.1888
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
Staatsbibliothek Berlin PK
Signatur
Slg. Darmstaedter, Lc 1875: Haeckel, Ernst
ID
32412