Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 8. Juni 1888
Rechtenfleth 8 Juni 88.
Mein herzlieber Haeckel
So sehr mich Dein lieber letzter Brief erfreute, so schwer liegt er als noch immer unerwiedert mir auf der Seele, und ich benutze den ersten Tag da ich mit meinem Schreiben wieder draußen in meinem lieben Garten am alten Steintisch sitze meine Schuldlast abzuwerfen.
Vor Allem erfreute mich, was Du von Eurem a oder besser gesagt: von unserm lieben Walter berichtest, zumal es so ganz mit meinen Ansichten b in Betreff seines Studienganges übereinstimmt. ||
Wie sehr mich verlangt ihn einmal wiederzusehn kann ich Dir kaum sagen. ‒ Laß uns also unser geliebtes schönes c München und wenns Dir beliebt den netten angenehmen Gasthof zum Achatz am Maximiliansplatz zur gemeinsamen Wohnung daselbst erwählen. Jedenfalls bin ich darin zu erfragen falls es mir nicht vergönnt wäre darin zu wohnen.
Ich denke in den ersten Wochen des Juli von hier abzureisen. Ob wieder wie meistens über Eisenach oder westlicher um ein Stück Odenwald mit merkwürdigen karolingischen Bauten kennen zu lernen, weiß ich noch nicht. In München denke ich bis Ende des Septembers Standquartier zu nehmen d.h. bald eine Woche hindurch in vollen Zügen Kunst zu schwelgen und dann die nächste wieder || an irgend einem herrlichen Alpenwinkel am Busen von Mutter Natur davon auszuruhen und neue Frische zu saugen. ‒
Daß schon jetzt die Woche mit Euch Ihr lieben Menschen mir aus der nahend Zukunft in herrlichem Glanze entgegen strahlt kannst Du begreifen. Soll sie doch wieder, wie „Die glücklichene Tage von Capri“ einen Höhepunct meines sich nun bald dem Ende zuneigenden Daseins bilden.
Und da ich vor der Hand keinen schöneren Gedanken weiß, schließe ich mit diesem. ‒
Auf fröhlich jubelndes Wiedersehn im deutschen Süden mit Gruß und Händedruck
Euer Vielgetreuer.
a gestr.: lieben; b gestr.: üb; c gestr.: zum; d eingef.: nahen; e eingef.: glücklichen