Maria Aschenberg an Ernst Haeckel, Barmen, 10. Januar 1893

Barmen den 10ten Janu.ar 93.

Reichsstraße 12.

Sehr geehrter Herr!

Der Monismus als Band zwischen Religion und Wissenschaft von Ernst Haeckel.

Dieses Glaubensbekenntniß eines Naturforschers habe ich mit großem Interesse gelesen – nur frage ich mich immer dabei, hat dieser Herr denn nicht den Geheimbuddhismus studirt? Hat der bedeutende Naturforscher nicht wenigstens das Buch von Sinnett darüber gelesen: „Die Esoterische Lehre oder Geheimbuddhismus“? im Jahr 1884 erschienen. Nur einmal ist in Ihrem Werk von dem Buddhismus die Rede, || und zieht derselbe dabei den Kürzeren im Vergleich zum Christentum. Für mich war dieses Buch von Sinnett eine ganz überwältigende, glaubwürdige Offenbarung des ganzen Universums, worin alle Religionen sich ihren verschiedenen Graden nach einfügen lassen. Haben Sie das Buch gelesen? Könnte ich mir denken, Sie wären mit dem Inhalt des Buches vertraut und hätten dasselbe in Ihrem so muthigen kraftvollen Glaubensbekenntniß, herausgegeben für uns gewöhnliche Menschenkinder, so ignoriren könen – nein, gewiß, Sie kennen das Buch nicht – und das zu ahnen, störte mir den vollen Genuß || Ihres Buches.

Bonn 1886 kam das hochbedeutende Buch von Wilhelm Bender heraus „Das Wesen der Religion und die Grundgesetze der Kirchenbildung“. Doch auch der Genuß wurde mir oft gestört, selbst beim Lesen zum 2. Male, weil es nur zu klar wurde daß Herr Bender Gemeinbuddhismus wohl studirt hat, doch nicht den Geheimbuddhismus. Gar zu gerne hätte ich dem Gelehrten mal mein theures Buch zugeschickt, doch ich fürchtete dem Herrn damit beschwerlich zu fallen – aber immer wieder drängt sich mir der Gedanke auf, „hättest Du es doch gethan!“ Aber dies Mal will ich es wagen Herrn || Ernst Haeckel zu fragen wie er dazu kommt den Geheimbuddhismus zu ignoriren in seinem Glaubensbekenntniß. Es würde mir eine große Freude sein wenn Sie mir erlaubten Ihnen das betreffende Buch ein Mal zusenden zu dürfen.

Zürnen Sie nicht über dieses Schreiben, aber wenn hoch bedeutende Werke – ja, Glaubensbekenntnisse unter das Volk vertheilt werden, dann muß es dem Verfasser derselben von Werth sein, wie die Aufnahme ausfällt. Und sehr interessirt hat mich Ihre tüchtige, kräftige Arbeit. Nehmen Sie meinen innigsten Dank und es grüßt mit vorzüglicher Hochachtung

Frau Alexander Aschenberg.a

a am linken Rand von S. 4: Hochachtung … Aschenberg.

Brief Metadaten

ID
8350
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
10.01.1893
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,3 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8350
Zitiervorlage
Aschenberg, Maria an Haeckel, Ernst; Barmen; 10.01.1893; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8350