Crompton, Ella von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Groß Brütz, 12. Februar 1919.

E. V. CROMPTON | JAGDHAUS GR. BRÜTZ | BEI SCHWERIN IN MECKL.

POST WITTENFÖRDEN

12. Feb. 1919

Hochverehrte Excellenz,

vor Allem möchte ich Ihnen, hochverehrter, liebster, guter Herr Geheimrat, zu Ihrem 85. Geburtstag meine innigsten Wünsche sagen, was man eben in dieser schweren Zeit nur wünschen kann. Sehen Sie, liebster Herr Geheimrat, Sie haben doch wenigstens noch immer die Erinnerung an so unendlich viel Schönes, das Sie gesehen, erlebt und genossen haben – es ist doch immerhin ein kleiner Trost, solch herrliche Erinnerungen zu besitzen – –

Zu gleicher Zeit sende ich Ihnen als dringendes Eilpaket einen Fasan, der muß gleich verbraucht werden, da er schon abgehängt ist. Hoffentlich kommt er gut in Ihre Hände u. schmeckt Ihnen gut. Gerne hätte ich etwas Fett dazu getan, aber es war mir leider nicht möglich. Bitte seien Sie mir nicht böse, daß ich Ihnen diese Kleinigkeit schicke, aber solange ich etwas habe, muß ich Ihnen noch etwas senden dürfen.

Heute erhielt ich auch Ihren II. Brief, ich danke Ihnen für Beide auf’s Innigste, ganz besonders für die väterliche Zuneigung u. Sorge, die aus Beiden spricht. Es tut mir nur so unendlich leid, daß ich Sie auch noch mit meinen Sorgen belästigt habe – – – es ist ja eine jammervolle Zeit – und das Traurigste bei allem ist das, daß wir selber schuld daran sind an dem ganzen Zusammenbruch, daß wir, das heißt unser Volk eben unwürdig ist, noch nicht reif – – – unser gefangener Engl. der bei uns als Knecht war, sagte, als er Anf. Dez. nach England geholt wurde: „Schlechtes Volk, die Deutschen – das Engländer nie || getan wenn Krieg u. Feinde vor den Toren, Revolution machen u. eigene Brüder überfallen … – – –“ Das muß man sich von seinem ärgsten Feind, einem noch dazu ungebildeten Menschen sagen lassen. – – – Wie recht hatten Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, als Sie damals Frühjahr 15 zu mir sagten, die Folgen würden noch ärger werden als die des 30jähr Krieges – Sie haben Recht, liebster, guter Herr Geheimrat, wenn Sie mir in Ihrem letzten Brief den letzten Trost sagen – nur der Aufblick zu dem unendlichen weiten Sternenhimmel, der hier draußen besonders weit erscheint – tröstet etwas indem er uns unsere ganze armselige Unendlichkeit zu Gemüte führt – und doch – für mich selbst habe ich mich schon längst mit Allem abgefunden – aber für das Kind – dem meine ganze Liebe u. Kraft gehört – es erscheint mir als das beste u. liebste u. tüchtigste Geschöpfchen – für das möchte ich Wege bahnen und Zukunft schaffen – und noch eines – wenn es wirklich mein Eigenes wäre – so hätte ich auch alle Selbstbestimmung für dasselbe zu Recht – aber so – fürchte ich die Verantwortlichkeit, daa es doch sein ureigenes Leben hat – über das ich nicht zu bestimmen habe – wenn ich es eben allein zurücklasse, so handle ich erst recht schmachvoll – aus diesem Irrsal finde ich nicht heraus – – – – darum kämpfe u. strebe ich weiter bis zum letzten Atemzug – – – –

Die kleinen rosa Blütchen schickt Ihnen Ihr liebes, kleines Patchen mit einem süßen Küßchen.

Frl. Elli Busch, die Ihnen noch stets so dankte für das Zeigen Ihrer Kunstschätze ist, erlaubt sich Ihnen auch einige Glückwünsche zu senden.

Mein Mann, der den Fasan erlegt hat, sendet Ihnen auch beste Wünsche.

Alles Gute u. Liebe stets u. immer Ihre Sie so hochverehrende, Ihnen stets treu u. innig dankbar ergebene

Adoptivtochter | Elli von Crompton

P. S. Bleibt Ihr Sohn in München wohnen? Ergreift er nicht noch einen anderen Beruf? Wie geht es Ihrer II. Tochter?

a korr. aus: das

 

Letter metadata

Recipient
Dating
12.02.1919
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 4577
ID
4577