Alfred Müller an Ernst Haeckel, Dresden, 13. Februar 1912
Dresden den 13 Febr. 1912.
Se. Exzellenz Herrn Professor Dr. Ernst Häckel
Jena.
Hochgeehrter Herr Professor!
Zu meiner großen Überraschung gab mir heute meine Frau einen Brief von Ihrer Hand – in dem Sie mir die nötigen Aufklärungen dazu gab. In das Unvermeidliche meinen Vortrag in der knappen Spanne der Zeit und den mir zur Verfügung stehenden Mitteln fertig stellen zu können habe ich, so schmerzlich es auch ist, ich mich bereits gefügt. Ich bitte Sie, Hochgeehrter Herr Professor, es meiner Frau nicht übel zu nehmen, daß Sie Ihre Hilfe angerufen hat, ohne sich darüber Gedanken gemacht zu haben, in wie manigfaltiger Art Sie bereits in Anspruch genommen werden.
Daß mein Pithecanthropus Ihren Beifall gefunden hat, ist mir vom idealen Standpunkt aus, mehr wert als eine finanzielle Hilfe, so unpraktisch daß [!] auch klingen mag, aber ich kann es nicht unterlassen auszusprechen. Unter den vielen Versuchen einen Pithecanthropus zur Darstellung zu bringen, vermisse ich auf allen mir bekannten Abbildungen, daß die Darsteller hauptsächlich den Schädel des Neandertalers || und Spyerschädels nicht genügend berücksichtigt haben, zu den Erstgenannten bin ich vor Jahresfrist selbst hingewallfahrtet. An der Hand dieser Reliquie und Ihres unantastbaren biogenetischen Grundgesetzes habe ich den Pithecanthropus, von dem ich gern noch eine photo. Aufnahme (Negativ) gehabt hätte, entworfen und gemalt.
Wenn Ihnen nun Hochgeehrter Herr Professor das Bild zu besitzen wert erscheint, so würde es mir zur Ehre gereichen, es Ihnen verehren zu dürfen, wenn ich mich nur halbwegs in angemessener Lage befände. Mit einem Verkauf des Bildes hatte ich vorläufig gar nicht gerechnet, aber immerhin wäre es für mich eine nicht zu unterschätzende Hilfe wenn Sie mir für das Bild 50 Mark übersenden wollten.
Indem meine Frau, so wie ich es von Herzen bedauern, daß Ihr Gesundheitszustand zu wünschen übrig lässt, hoffen wir daß Sie Verehrter Herr Professor recht bald wieder sich in der alten Rüstigkeit befinden werden, zeichnet
Hochachtungsvollst ergebenster
Alfred Müller
Dresden A.
Gerichtsstr. 13.III