Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an das Großherzogliche Staatsministerium zu Weimar, Jena, 31. März 1868

Abschrift.

Großherzogliches Staatsministerium!

Jena, den 31n März 1868.

Jahresbericht über das Groß-

herzogliche zoologische Museum

und das zoologische Institut

der Universität Jena im Jahre

1867.

Das Großherzogliche zoologischen Museum hat in dem verfloßenen Jahre mehrere bedeutende und werthvolle Bereicherungen erfahren, zunächst durch die zoologischen Sammlungen, welche ich im Winter 1866/67 während meines viermonatlichen Aufenthalts auf den canarischen Inseln, und während meiner Rückreise von denselben, insbesondere || an an der nordwestlichen Küste von Africa (Marocco) und an der Meerenge von Gibraltar angelegt habe.

Hier sei es mir nun zunächst gestattet, dem hohen Staatsministerium meinen ergebensten Dank auszusprechen, sowohl für den halbjährigen Urlaub, welchen mir daßelbe zu dieser wißenschaftlichen Forschungsreise gewährte, als auch für die Geldsumme, welche mir daßelbe behufs Anlegung einer zoologischen Sammlung bei dieser Gelegenheit bereitwilligst aussetzte. Über den Verlauf dieser Reise selbst habe ich eine vorläufige Mittheilung bereits in dem dritten Bande der Jenaischen Zeitschrift für Medicin und Naturwißenschaft Seite 313 gegeben. Als Reisegefährten und Arbeitsgenoßen begleiteten mich ein Bonner Privatdocent der Zoologie, Dr. Greeff, und zwei meiner Schüler, die Jenaischen Studenten Miklucho-Maclay aus St. Petersburg und Hermann Fol aus Genf. Die für unsere zoologischen Arbeiten günstigste und fruchtbarste Zeit unserer Reise bildete ein dreimonatlicher Aufent-||halt auf der canarischen Insel Lanzarote. Die während dieser Zeit gesammelten, größtentheils seltenen oder ganz neuen Seethiere trafen in einer großen Kiste verpackt am 3ten Mai 1867 wohlbehalten in Jena ein. Eine vorläufige Uebersicht der bearbeiteten und gesammelten Thiere ergab etwas über 500 verschiedene Arten, von denen die meisten kleineren in sehr zahlreichen Exemplaren erhalten sind.

Die Vertheilung derselben auf die verschiedenen Klaßen ist aus dem beifolgendem Vermehrungsbuch ersichtlich. Eine genauere Bestimmung der meisten Arten kann erst allmählig erfolgen, nachdem die dazu erforderlichen, vielfach zerstreuten, literarischen Hilfsmittel herbeigeschafft sind. Ebenso kann auch die ordnungsgemäße Aufstellung der canarischen Sammlung erst stattfinden, wenn ein größerer, (bereits bestellter) Gläser-Vorrath eingetroffen und || neuer Raum zur Aufnahme derselben geschafft ist.

Ueber die wißenschaftlichen Resultate, welches dieses reiche und werthvolle Arbeitsmaterial geliefert hat, und deren theilweise Publication bereits im Gange ist, werde ich mir seiner Zeit erlauben Bericht abzustatten.

Alles so eben Bemerkte gilt auch von derjenigen Sammlung, welche ich während meiner Rückreise von den canarischen Inseln an der Nordwestküste Africas und an der Meerenge von Gibraltar veranstaltete. Leider verunglückte ein Theil derselben bei Eröffnung der Kisten durch die spanische Douane in Cadix, indem mehrere Gläser mit Thieren in Weingeist dabei zerschlagen wurden. Die übrigen trafen wohlbehalten in zwei Kisten am 18n Juni Jena ein und ließen nach einer vorläufigen Uebersicht 66 verschiedene, größtentheils neue Thierarten unterscheiden. Ein Theil sowohl von dieser, als von der canarischen Sammlung, insbesondere || Fische, wurden an das zootomische Museum (zu Händen des Herrn Hofrath Gegenbaur) abgegeben.

Unter den übrigen Erwerbungen, welche das Großherzogliche zoologische Museum während des Jahres 1867 gemacht hat, sind dankend hervorzuheben: erstens ein werthvolles Geschenk, welches Herr Dr. med. Julius Rupert in Tiefenort (Kaiserlich mexikanischer Regimentsarzt a. D.) mit 92 Schmetterlings-Arten und 32 Vogel-Arten aus Mexico gemacht hat, und zweitens eine Sammlung von 37 ostindischen Thieren, (größtentheils Schlangen) welche Herr Dr. Ebers, Director der ethnographischen Sammlung, aus dieser abgegeben hat.

Auch die Aufstellung dieser Sammlung, sowie einer Anzahl im letzten Jahre angefertigter Präparate, wird erst erfolgen können, wenn erstens der erschöpfte Gläser-Vorrath aufs Neue angefüllt, und zweitens neuer Raum zur Aufstellung geschafft sein wird. || Der bisherige Raum des zoologischen Museums ist durch die reichlichen, in den letzten Jahren erfolgten Vermehrungen, jetzt gänzlich besetzt, und es wird sich nothwendig früher oder später eine Erweiterung deßelben als unabweislich aufdringen. Ueber diesen Punkt werde ich mir sogleich erlauben, bei Gelegenheit des Berichts über das zoologische Institut noch einige Bemerkungen zu machen.

Das zoologische Institut der Universität Jena, welches nun bereits zwei Jahre in Wirksamkeit steht, kann gegenwärtig als dergestalt begründet angesehen werden, daß es neben den übrigen, für den naturwissenschaftlichen Unterricht bestimmten Anstalten der Universität eine selbstständige Stellung einnimmt. Wie es in den letzten beiden Jahren bereits der Fall war, so wird daßelbe auch fernerhin in jedem Semester den Studirenden der Naturwißenschaften und der Medicin Gelegenheit geben, sich durch eigene || practische, zoologische und mikroscopische Uebungen genauer mit dem Bau des thierischen Körpers bekannt zu machen, und selbstständige Untersuchungen anzustellen.

Im Sommer-Semester 1867 wurde das zoologische Institut von sieben, im Winter-Semester 1867/68 von acht Studierenden benutzt. Das Material für die Untersuchungen lieferte theils das Großherzogliche zoologische Museum, theils die mit demselben verbundene kleine Instituts-Sammlung, welche ich für diesen besonderena Zweck angelegt habe. Dieselbe enthält nur wenige Arten, aber zahlreiche Individuen, welche als typische Repräsentanten der größeren und wichtigeren Hauptabtheilungen des Thierreichs gelten können, und jedem einzelnen Studirenden hinreichendes Material bieten, um sich durch eigene, anatomische und mikroscopische Untersuchungen auf das genaueste mit diesen typischen Thierformen bekannt zu machen. Auch die niederen Seethiere, welche in anderen zoologischen Instituten || gewöhnlich nicht für ähnliche Zwecke verwendet werden, sind hier nicht ausgeschlossen, da die von mir selbst im Mittelmeer (bei Messina, Neapel und Nizza) in der Nordsee (bei Helgoland) und im atlantischen Ocean (bei den canarischen Inseln) gesammelten Seethiere, insbesondere die Medusen, Polypen, Seesterne, Seeigel, Selpen, Heteropoden etc. in einer so großen Anzahl von Individuen vorräthig sind, daß dieselben für jene Unterrichtszwecke nicht gespart zu werden brauchen.

In dem außerordentlichen Berichte über die Verhältniße des zoologischen Museums, welchen ich im August 1865 an das hohe Staatsministerium einsendete, hatte ich mir zum ersten Male erlaubt, daßelbe um eine außerordentliche Geldbewilligung zur Gründung resp. instrumentalen Ausstattung des zoologischen Instituts ergebenst zu bitten. Hierfür wurden in einem || hohen Rescripte vom 18en November 1865 dreihundert Thaler gnädigst bewilligt. Ferner wurden zur weiteren Ausstattung und Unterhaltung des Instituts durch hohes Rescript vom 10n Juli 1866 nochmals 260 rℓ. bewilligt. Ueber die Verwendung dieser dankbarst empfangenen Gesammtsumme von 560 rℓ. erlaube ich mir in der beifolgenden Rechnungsablage Bericht abzustatten. Wie daraus ersichtlich, wurde von dieser Summe 437 rℓ 8 sgr zur Anschaffung von acht Mikroscopen, 44 rℓ 19½ sgr. zum Ankauf von Reagentien, und der Rest zur Beschaffung verschiedener zootomischer Hilfsmittel, Instrumente und Präparate verwendet.

Um das zoologische Institut den übrigen akademischen Anstalten, welche zur Förderung des practischen naturwißenschaftlichen Unterrichts dienen, gleichzustellen und eine weitere Ausbildung desselben möglich zu machen, hatte ich mir in dem Jahresberichte vom 25n März 1866 erlaubt das hohe Staatsministerium und Gewährung eines regel-||mäßigen Jahres-Etats für daßelbe ergebenst zu ersuchen. Daraufhin haben die Durchlauchtigsten Erhalter durch Rescript vom 12n März 1868 eine ordentliche Jahres-Dotation von zweihundert Thalern für das zoologische Institut gnädigst zu verwilligen geruht.

Indem ich für diese höchst erwünschte Bewilligung hiermit meinen ergebensten Dank ausspreche, erlaube ich mir mit Bezug darauf zugleich eine Bitte zu äußern, welche früher oder später sich doch aufdringen würde, deren baldige Gewährung aber das Gedeihen der zoologischen Unterrichts-Anstalten wesentlich fördern würde. Diese Bitte betrifft Erweiterung des Raums für die zoologischen Anstalten. Wie schon vorher bemerkt, ist das zoologische Museum durch den reichen Zuwachs der vorhergehenden Jahre jetzt dergestalt im Raume beschränkt, daß ein großer Theil der Sammlung des letzten Jahres nicht mehr darin untergebracht werden kann. Viel empfindlicher noch als dieser Mangel aber ist die Beschränkung der Arbeitsräume, || welche durch deren Verknüpfung mit dem mineralogischen Museum bedingt ist. Um diese beurtheilen zu können, erlaube ich mir auf den nebenstehenden Plan der betreffenden Räume zu verweisen.

Das einzige im Großherzoglichen Schloße befindliche Auditorium (A.) wird zugleich für alle zoologischen und paläontologischen, wie für alle mineralogischen und geologischen Vorlesungen benutzt. Der Eingang zu diesem Auditorium (a.) ist zugleich der einzige Zugang zu den vier übrigen daran stoßenden Räumen, und dieser Uebelstand läßt sich wegen der Anlage der Treppe in keiner Weise beseitigen. Für die zoologischen Arbeiten ist bloß das dreifenstrige Zimmer B. und die kleine Kammer C. bestimmt. Die beiden Zimmer D. und E. wurden seither immer für das mineralogische Museum benutzt, welchem außerdem die ganze Bel-Etage des Schloßes zur Verfügung steht. Da der Director des mineralogischen Museums diese beiden Räume (D. und E.) für unentbehrlich erklärt, da ferner der noth-||wendige Durchgang durch das gemeinschaftliche Auditorium die freie Benutzung der zoologischen Arbeitsräume (B. und C.) zu vielen Stunden ganz unmöglich macht, da endlich eine anderweitige Vermehrung der zoologischen Räume im Großherzoglichen Schloße nicht in Aussicht steht, so wird die Beibehaltung der bisherigen Räume auf die Dauer unhaltbar werden.

Die Collisionen, welche durch die gemeinschaftliche Benutzung des einzigen Auditoriums entstehen, habe ich bisher dadurch zu vermeiden gesucht, daß ich die zoologischen Uebungen und theilweise auch die Vorlesungen in den im Anatomiegebäude befindlichen Auditorium, dem anatomischen und physiologischen Hörsaale, hielt, welche von den betreffenden Directoren, Herrn Hofrath Gegenbaur und Herrn Profeßor Czermak gütigst dafür überlaßen wurden. Indeßen führt diese Benutzung fremder ||

[Zeichnung]

[1 Fenster]

E

Mineral.

[3 Fenster]

═ D

Mineralog. Sammlung

[1 Fenster]

═ C. [1 Fenster]

Zool.

a Auditorium

A

[3 Fenster]

Zoolog. ║

Laboratorium [1 Fenster]

B

[2 Fenster]

Auditorien, die Trennung von dem zoologischen Museum, der unvermeidliche beständige Transport der Mikroscope und des zoologischen Materials u. s. w. eine Menge von großen Uebelständen mit sich.

In Erwägung dieser dringenden Gründe möchte ich mir erlauben, dem hohen Staatsministerium die Erwägung zu unterbreiten, ob nicht schon jetzt ein besonderes zoologisches Instituts-Gebäude beschafft werden könne, welches in seiner unteren Etage die zoologischen Arbeitsräume, im obern das zoologische Museum aufnähme. Für die ersteren würde erforderlich sein 1.) Ein Auditorium, 2.) Ein Präparirsaal für die zoologischen und mikroscopischen Uebungen, 3.) Ein Arbeitszimmer für den Director, 4.) Ein Arbeitszimmer für die Assistenten, 5.) eine Kammer || zur Unterbringung der Instrumente und Arbeitsmaterialien. Auch die Anlage einer Wasserleitung, deren Mangel im Großherzoglichen Schloße ein sehr großes Hinderniß der Arbeiten bildet, würde höchst erwünscht sein. Der ganze Gang der zoologischen Arbeiten würde durch diese Einrichtung und die freie Benutzung des eigenen Raumes in hohem Maße gefördert werden. Erst dann wird es möglich sein, dieselben in gleicher Weise auszudehnen und zu ordnen, wie dies in den anderen, ein selbstständiges Gebäude besitzenden naturwißenschaftlichen Instituten, dem anatomischen, physiologischen, pathologisch-anatomischen, chemischen und botanischen bereits geschehen ist.

Zum Aussprechen dieser Bitte ermuthigt mich sowohl das Intereße, welches das hohe Staatsministerium bisher der Entwickelung der || zoologischen Studien an der Universität Jena zugewendet hat, als der außerordentliche Nutzen einer derartigen Verbeßerung, und insbesondere die Ueberzeugung, daß dieselbe früher oder später nothwendig eintreten muß. Auf den meisten übrigen Universitäten ist dies bereits geschehen. Je früher dasselbe auch hier geschieht, desto mehr wird das zoologische Institut in den Stand gesetzt sein, die ihm gebührende selbstständige Stellung neben den übrigen vorhergenannten Instituten einzunehmen und durch lebendige Förderung der zoologischen Studien seine wißenschaftliche Berechtigung nachzuweisen.

In der Hoffnung, daß das hohe Staatsministerium die Berechtigung dieser Bitte anerkennen und dieselbe ihrer Erfüllung entgegenführen möge, bleibe ich

in vorzüglicher Verehrung

Eines hohen Staatsministeriums

ergebenster

Haeckel.

 

Letter metadata

Recipient
Dating
31.03.1868
Place of origin
Country of origin
Destination
Weimar
Possessing institution
ThStA Gotha, Staatsministerium
Signature
Dep. I, Loc. 6 p, Nr. 25, Bd. 1, Bl. 28r-35r
ID
43327