Ernst Haeckel an Charlotte und Carl Gottlob Haeckel, Jena, 5. November 1862

Jena 5. 11. 62.

Liebe Eltern!

Euer letzter lieber Brief hat sich mit unserem letzten gekreuzt und ihr werdet die gewünschten Nachrichten über unser Wohlergehen zur selben Zeit, wie wir die eurigen, erhalten haben.

Seitdem ist nun das Semester- Leben wieder begonnen, in dem ich diesmal sehr viel zu thun habe. Ich lese 3 Privatcollegia und 1 Publicum über Darwins Theorie. In der Zoologie habe ich diesmal eine außerordentlich große Anzahl von Zuhörern, nämlich 26, dagegen in der Osteologie nur 6 und in der Histiologie (mikroskopischen Anatomie) nur 4. Diese Collegia machen mir zusammen natürlich || ziemlich Viel zu schaffen, so daß ich nur sehr wenig freie Zeit habe. Auch für die Haus- Einrichtung hat es noch sehr viel zu thun gegeben. Im Übrigen bin ich sehr wohl und munter und habe mich mit meiner allerliebsten Hausfrau sehr nett eingelebt. Sie wird euch selbst von unserer Tages- Eintheilung erzählen. Wegen meiner Radiolarien habe ich 2 höchst anerkennende und lobesvolle Briefe von Max Schultze und Prof. Leydig, den competentesten deutschen Richtern, erhalten, ebenso einen aus London von Professor Huxley, a || einem der ausgezeichnetsten englischen Zoologen. Dieser hat mir auch Erde geschickt, die ganz aus fossilen Radiolarien- Panzern besteht, die ich jetzt untersuche. – Einliegende Briefe giebst Du, lieber Vater, wohl auf Deinen Spaziergängen ab. Die beiden Eingaben an 2 Ministerien enthalten Bitte um Erhaltung des Indigenats. Sehr viel liegt mir an der baldigen und sicheren Besorgung des Briefes an Dr. Willy Kühne (den dicken!). Ich weiß seine Adresse nicht. Du kannst sie entweder durch Virchow erfahren, oder in der pathologisch anatomischen Anstalt in der Charité. Virchow wohnt Hohenzollernstraße 1. || Wenn Du kannst, bringe den Brief selbst an Kühne und bitte ihn um recht baldige Antwort.

Wir freuen uns Beide sehr auf Weihnachten, wo wir euch recht sehr viel von unserer Reise und häuslichen Einrichtung zu erzählen haben. Es ist hier wirklich allerliebst, unser Quartier ganz reizend. Richters und Prof. Beyrich, der uns neulich besuchte, wird auch davon erzählt haben. Anna ist so frisch und munter, wie ich selbst, und sehr glücklich. Grüßt Tante Weiss, wie alle Lieben und Bekannten, besonders auch die Freienwalder von eurem treuen Ernst.

Bitte, sagt Karl, daß ich seinen Bädeker von Norddeutschland habe.

a gestr.: Rest eines anderen Briefes;

Brief Metadaten

ID
37780
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Datierung
05.11.1862
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
10,8 x 17,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 37780
Zitiervorlage
Haeckel, Ernst an Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte; Jena; 05.11.1862; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_37780