Charlotte Haeckel an Agnes und Ernst Haeckel, Berlin, 16. August 1868
Berlin d. 16ten
August 1868.
Liebe Kinder!
Es will mir gar nicht gefallen, daß ich zur Feder greiffen muß, um mit meinen lieben Kindern zu plaudern, ich bin verwöhnt da ich nun fast 6 Wochen Euch täglich sehn und sprechen konnte; und ich denke mit Dank an die Zeit zurück, wo ich mit Euch sein konnte. Zunächst sollen diese Zeilen, Euch beide Lieben meinen und des Vaters herzlichen Dank sagen für alle uns erwiesene Liebe. Mein Schreiben wird wohl || heute sehr verworren sein, denn bei der furchtbaren Hitze ist es schwer die Gedanken zu sammeln, hier soll am vorigen Montag ein starkes Gewitter mit tüchtigem Regen gefallen sein, davon spürt man nichts, und die Nächte werden auch nicht kühl, wie doch bei Euch, wir haben alle Fenster in der Nacht aufgehabt aber es blieb immer gleich warm. Gestern auf der Reise war es auch sehr heiß, bis Apolda noch am beßten; dort kam der Zug statt um 4 Uhr erst || halb fünf Uhr an. –
Vater wurde sehr ungeduldig und heftig, wie in früheren Jahren, weil er nicht aussteigen konnte, wie er wollte. Deshalb ist es so schwer jetzt mit Vater zu reisen; wenn man ihn erinnert auszusteigen, wo länger gehalten wird, will er nicht, und dann wann es gar nicht möglich ist. – Dadurch wurde die Fahrt sehr erschwert; wir kamen wir um halb zehn Uhr an, und bekamen rasch eine Droschke, mußten aber lange auf unser Gepäck wartten, || was für Häckel wieder eine Geduldsprobe war. Im Hause fanden wir alles in beßter Ordnung, Hulda hatte alles gut besorgt, und empfing uns mit schönen Blumen. Vater war aber so müde daß er nach dem Thee, ohne zu spielen zu Bett ging. Die erste Hälfte der Nacht war gar nicht gut, Vater war sehr unruhig, gegen morgen schlief er, machte auch seinen gewöhnlichen Spaziergang, ist aber so müde, daß er zu Mittag wenig gegessen hat und jetzt bis 5 Uhr geschlaffen, nun sieht es besser aus, || hoffentlich geht es ihm nun auch gut. Ich wurde gestern mit der nicht erfreulichen Nachricht empfangen, daß wir morgen Wäsche halten müssen, sonst könnte es erst Ende September geschehn. Da mußte ich mich tüchtig tummeln: früh 5 Uhr stand ich auf, packte aus und brachte alles an Ort und Stelle; a dabei gedacht ich dankbar Deiner lieben Mutter, liebe Agnes, beim Erscheinen der schönen Birnen und Reniekloden. Nach dem Frühstück wurde Wäsche ausgesucht, wobei mich Tante || Bertha überraschte, die auf einen Augenblick kam, weil sie um 10 Uhr nach Potsdam fuhr, wo sie morgen Heinnrichs Geburtstag mit feiern will. Mit den sonstigen Vorkehrungen zur Wäsche und sonstigem häuslichen Kram hatte ich bis zu Mittag zu thun, wo ich einige von den Huschkeschen Birnen hatte kochen lassen, die ohne Zucker vortrefflich süß sind, und gut schmecken, leider aß Vater nur zu wenig, er war zu matt. Um 7 Uhr || werde ich mit ihm Spazierenfahren, damit er sich nicht so anstrengt, das ist nebenbei gesagt auch für mich besser, ich müßte sonst mit ihm gehn, da Friedrich aus ist, das würde mir sehr sauer werden heute. So habt Ihr unseren heutigen Lebenslauf, was machen nun meine lieben Kinder in Jena? Ist unsere kleine Frau wieder ganz munter? Sag mir nur recht bald mal, meine Liebe Agnes, wie es Dir geht? Wird Ernst noch bis zum Dinstag || fertig,? daß er reisen kann, ich wünsche, daß er bald weg kann, damit er auch um so eher wieder zurück kommt. Mir ist es eine große Beruhigung, daß er einen ihm so lieben Reisegefährten hatb, es war mir auch lieb Almers noch zu sehn, und Vater meinte eben noch beim Kaffe: es ist doch schade, daß wir Allmers nicht länger gesehn haben! – – – [Briefschluss fehlt]
a gestr.: nach; b korr. aus: hatte