Wilhelm Haacke an Ernst Haeckel, Kiel, 24. Februar 1880

Kiel, d. 24. Febr. 1880.

Hochverehrter Herr Professor!

Sie werden gewiss recht entrüstet sein, dass ich Sie so lange auf die jungen Acraspeden warten lasse. Zu meiner Entschuldigung diene Folgendes: Bald nachdem ich Ihren Brief erhalten hatte, und noch bevor ich zu einer Excursion kommen konnte, fror der Kieler Hafen zu; es war deshalb unmöglich, Scyphistomen zu bekommen. Ich würde Ihnen nun aus unserem Aquarium einige haben schicken können, wenn nicht in Folge des Verwesens einer Ascidie während meiner Abwesenheit in den Weihnachtsferien sämtliche Insassen des die Scyphistomen beherbergenden Aquariums zu Grunde gegangen wären. Nun hat der Kieler Hafen wochenlang auf sein Aufthauen warten lassen, und als letzteres endlich erfolgt war, wurde ich durch Krankheit fast acht Tage lang ans Zimmer gefesselt. Letzten Sontag hat nun einer unserer Praktikanten zum Zwecke des Copepoden-Fanges mit unserem || Diener eine Excursion gemacht. Bei dieser Gelegenheit sind uns zwar einige Ephyra, die ich morgen nach Jena abzusenden gedenke, gefangen worden; doch Scyphistomen haben sich trotz allen Suchens nichta finden lassen. Es existirt hier in Kiel aber ein Bootführer namens Knuth, welcher sich mit dem Versande lebender Seethiere befasst und solche schon nach Würzburg, Marburg, Hamburg etc. geschickt hat. Auch Scyphistomen, „Polypen-Quallen“, wie er sie nennt, hat er wiederholt lebend verschickt. Diesen habe ich nun heute beauftragt, Ihnen lebende „Polypen-Quallen“ zu senden. Da er Erfahrung zu besitzen scheint und leicht Scyphistomen zu bekommen glaubt, so hoffe ich dass innerhalb der nächsten acht Tage die gewünschte Sendung in Jena eintreffen wird. Ich möchte Sie nur bitten, dem Manne das Gefäss, in welchem er die Scyphistomen schickt, gleich wieder zurückzusenden, da er sich dasselbe eigens zum Zwecke des Verschickens lebender Seethiere hat machen lassen. Eine Rechnung wird er mitschicken.||

Natürlich werde ich es nicht unterlassen, die Entwickelungsstadien von Acraspeden, welche ich in nächster Zeit bekommen kann, zu conserviren und nach Jena zu schicken.

Bei Eintritt sonnigen Wetters, welches wir schon seit Weihnachten entbehren, müssen sich junge Medusen an der Oberfläche des Hafens zeigen, die sich dann leicht mit dem Ketscher [!] fangen lassen.

Ich hoffe, dass Ihnen das dürftige Material, welches ich Ihnen vor der Hand schicken kann, doch schon über manche Verhältnisse Aufklärung wird verschaffen können.

Übrigens gibt es auch noch vorjährige Medusen, ein Fall, der noch nicht beobachtet sein soll. Vielleicht liegt es Ihnen daran, solche Exemplare, welcheb sich seit langer Zeit der Geschlechtsprodukte entledigt haben, zu bekommen. In diesem Falle bitte ich um gütige Mittheilung.

Nächsten Mittwoch (d. 3.)c Reise ich nach Göttingen, um dort am 6. Mein Staatsexamen zu machen. Ich denke nicht länger als acht Tage von Kiel entfernt zu sein.

So scheint mir sehr zweifelhaft zu sein, dass ich schon Ostern die Stelle || in Bonn bekommen. Für Ihren Rathschlag sage ich Ihnen meinen wärmsten Dank.

Professor Möbius war sehr entrüstet über den Eozoon-Aufsatz im Dezember-Heft des ‚Kosmos‘.

Was ich in meiner neulich erschienenen Hydra-Arbeit über die Phylogenese der Tetractinoten-Form der Acalephen ausgesprochen habe, wird durch das Verhalten in der Stellung der Medusenknospe von Sarsia tubulosa zum Mutterpolypen der Syncoryne bestätigt. Ich denke nächstens einen kleinen Aufsatz darüber zu publiziren, und hoffe, dass die ‚Jenaische Zeitschrift‘ ihn nehmen wird.

In der Hoffnung, dass die junge Acraspeden-Gesellschaft noch frühzeitig genug eintrifft, verbleibe ich unter vielen Grüssen

Ihr

W. Haacke.

a korr. aus: nichts; b korr. aus: welchen; c eingef.: (d. 3.)

Brief Metadaten

ID
30581
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
24.02.1880
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 30581
Zitiervorlage
Haacke, Wilhelm an Haeckel, Ernst; Kiel; 24.02.1880; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_30581