Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, 27. Februar 1917
Dresden-Klotzsche Bahnhofstr. 8.
am 27.2.17.
Hochgeehrte, liebe, verehrte Exzellenz!
Wie kann ich Ihnen aussprechen, was ich beim Empfang Ihrer so lieben Zeilen, der Bilder u. der Bücher empfunden! –
Zwischen Lachen u. Weinen las ich immer u. immer wieder Ihre lieben Worte u. den schönen Artikel „Der Desperado-Krieg“ der mir besonders nahe ging, weil ich einen lieben Freund bei den U-Booten habe, den ich vor 4 Jahren in Genua auf meinen Kinoreisen auf dem Lloyddampfer Skutari kennen lernte. – – – –
– – – Und besuchen darf ich Sie auch nach dem Kriege. – Ach, Exzellenz, ist das nicht zu viel Glück für mich? – Aber nein, ich will nicht mehr zweifeln und verzagt sein, jetzt, wo ich endlich wieder dem Leben || entgegen gehe.
Es wird schwer werden, ich weiß, es ist ja alles so schwer heute, besonders im Künstlerberuf. Aber ich habe Mut, u. den festen Willen, mich durchzusetzen.
Hochverehrte Exzellenz, daß Sie mich auch noch mit einem so schönen Buch beschenkt haben, wie kann ich Ihnen das danken. Gerade das war schon einmal mein Wunsch. Ich hatte es mir mit aufgeschrieben. Und nun besitze ich es aus Ihrer Hand. Exzellenz, tausend, tausend Dank für all das und besonders für Ihren lieben Brief.
Ich freue mich sehr, daß ich das Buch „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ aus der Bibliothek einige Zeit behalten darf. Nicht wahr, die kleine Skizze von Goethe „Natur“ darf ich mir doch abschreiben u. auch die mit * versehenen Schriften, die besonders empfohlen werden. ||
Die Zeitschrift „Neue Weltanschauung“ von Wilhelm Breitenbach werde ich mir natürlich halten. Den Kosmos habe ich auch neuerdings.
Bei mir ist das alles ja erst neuerdings, durch Sie, hochverehrte Exzellenz u. Ihre Welträtsel, die mich in schweren, traurigen Zeiten das Leben neu erkennen liessen.
Ich fühle jetzt doch, das die Dämmerung nicht zu spät über mich gekommen ist.
Und wie oft hilft mir all das oft über Hässliches hinweg, mit dem mein Beruf reichlich besät ist. – Viel, viel möchte ich lesen u. verstehen lernen von der monistischen Naturphilosophie u. den interessanten Entwicklungsproblemen alles Lebenden; dafür Exzellenz werde ich stets Zeit finden.
Das sind dann meine Stunden, mir zur Freude. ||
– – – – – – In Berlin hatte ich viel Lauferei, aber, wie ich glaube, mit gutem Erfolg, und ich hoffe bald ein Engagement für den Herbst abzuschliessen. – Hoffentlich ist bis dahin endlich Frieden, damit alle wieder frei atmen können u. mit neuem Mut ans Schaffen u. Vorwärtsstreben denken. –
Jetzt, in den stürmischen Frühlingstagen, die das Herz rascher schlagen lassen, blicken wir wol alle freudiger u. hoffnungsvoller in die Zukunft. Möchten sich unsere großen, gemeinsamen Wünsche von Glück u. Frieden bald erfüllen.
Ich denke mir, nach den langen, harten Kämpfen u. Entbehrungen werden die Menschen zufrieden sein u. mehr nach hohen Zielen trachten, nach Ihren großen Zeilen, Exzellenz. Sie sollen und müssen endlich alle beherrschen. – – – –
– Traurig, sehr traurig stimmt es mich || daß auch Sie, hochverehrte Exzellenz u. Ihre nächsten Verwandten so sehr unter dem Kriege leiden müssen. Wie hässlich ist es, daß so viel vom Geld abhängt; das reißt uns oft unsanft aus allen schönen Hoffnungen u. Plänen heraus. –
Es ist das auch so ein Punkt, das müsste anders, ganz anders, vollkommener werden. – Wie viel nimmt es den grösten [!] Künstlern Ihre wahre, innere Kraft, die sich unter störenden Nahrungssorgen nie ganz frei entfalten kann.
Hoffen wir, daß das auch recht bald gebessert wird, schreiben tuen sie ja genug davon.
Leider haben noch immer recht wenige das Verständnis für die Existenzberechtigung des Künstlers u. geistig Arbeitenden, besonders die, die helfen könnten. – – – –||
Daß Sie meine kleine Gabe so gut verwenden können, macht mich recht glücklich, und oft wünsche ich mir, mehr, viel mehr für Sie tuen zu können, was Sie erfreut. – – – –
Haben Sie, hochverehrte Exzellenz, nochmals vielen herzinnigen Dank für alles, was Sie mir gesandt, Sie haben mich so unendlich glücklich u. stolz gemacht.
Wie ein strahlendes, siegendes Licht sind Sie mir stets u. all Ihre lieben Worte u. großen, schönen Werke, an dem ich mein Leben aufbauen möchte. Haben Sie herzlichen Dank für Ihre große Güte. – – – – –
Die Hoffnung, Sie bald persönlich kennen zu lernen bringt mich schon jetzt außer Fassung.
Viel Freude ist dabei, die mein Herz klopfen läßt, || aber auch viel Angst; denn ich bin doch so wenig u. komme mir oft recht dumm vor.
Werde ich vor Ihnen bestehen können! – – – Hoffentlich werde ich dann auch Ihr Museum kennen lernen u. vieles mehr, was Sie lieben. Verzeihen Sie bitte mein langes Schreiben. – – Im April werde ich mir erlauben, das gütig geliehene Buch zurückzusenden.
Mit größter Hochachtung
u. den innigsten Wünschen für Ihr Wohlergehen
bin ich Ihre ganz ergebene
stets dankbare
Lissi Nebuschka.