Julius Schaxel an Ernst Haeckel, Graz, 20. August 1910.

Graz, am 20ten August 1910.

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Der Kongreß ist zu Ende. Mit dem Erfolg meines Vortrags kann ich zufrieden sein. Aber sonst komme ich mit ganz schlechten Nachrichten. Prof. Plate, der auch hier war und allgemeine Mißachtung seiner persönlichen wie wissenschaftlichen Eigenschaften fand (wovon er freilich selber nichts || merkt), verknüpft neuerdings solche Freiheitsberaubungen mit meiner Habilitation in Jena, daß mir es absolut unmöglich erscheint mich dort niederzulassen! Er macht die Assistentenstelle, die ich bei der zwischen meinen und seinen Anschauungen von den Verpflichtungen eines solchen Amtes bestehenden Differenz nieder-|| zulegen gezwungen bin, untrennbar von der Privatdozentur, indem er meinen Amtsnachfolger zur Habilitation veranlaßt. Ich kann die unleidlichen Pedanteriena, die Plate einem aufzwingt, nicht alle hierher schreiben. Zum Teil habe ich Sie Ihnen ja schon erzählt. So schmerzlich es für mich ist und so sehr gerneb ich aus Verehrung und Dankbarkeit für || Sie in Jena geblieben wäre, so sicher steht es fest, daß ich bei den bestehenden Verhältnissen dort meine Gesundheit und Arbeitskraft durch beständigen Ärger und zahllose Aufregungen zerrütte.

Aber wohin sonst?

Beziehungen habe ich nur noch zu München. Leider konnte ich hier Hertwig (schon vor den letzten Vorfällen)c nur flüchtig sprechen. Ich möchte nun Sie, Herr Geheimrat, inständig bitten || Ihren Einfluß auf Hertwig für mich aufzuwenden, daß er mir irgendwelche Aussichten für München eröffnet. Mir ist weniger an einer officiellen Stellung im Institut (Assistent oder dgl.) als an der Habilitation gelegen. Es ist natürlich wünschenswert, daß die Angelegenheit so bald als möglich in die Wege geleitet wird; denn d die unsicheren Aussichten || sind unerträglich und der Gedanke der brutalen Verständnislosigkeit des Plate preisgegeben zu sein zum Verzweifeln. Ich bitte Sie also inständigst in Ihrer bisherigen Güte mich auch e diesmal zu unterstützen.

Ein Brief an Hertwig wäre an das Zool. Institut München mit Vermerk Nachsenden! zu richten, da er ihn dann || wohl am Schluß der Dalmatienreise in Abbazia erreicht.

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Meiner Frau geht es gut, wenn ich f sie mit meinen Sorgen nicht allzu sehr quäle. Ich selber bin in schlechter Verfassung, solang ich nicht weiß, wie diese trostlose Geschichte enden wird. Wir reisen heute nach Gmunden am g Traunsee, wo ich aber noch keine Adresse weiß. Vom 1. Sept. an sind wir || in Unterschondorf am Ammersee und am 19. Sept. spätestens muß ich in Jena sein.

Verzeihen Sie Herr Geheimrat, daß ich Sie mit derlei belästige, aber ich kann nicht anders.

Mit den ergebensten Grüßen

Ihr dankbarer Schüler

Julius Schaxel.

a korr. aus: Pedaterien; b eingef.: gerne; c eingef.: (schon … Vorfällen); d gestr.: ich; e gestr.: diesen; f gestr.: Sie; g gestr.: tr;

Brief Metadaten

ID
18385
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich
Datierung
20.08.1910
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
8
Umfang Blätter
4
Format
13,9 x 17,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 18385
Zitiervorlage
Schaxel, Julius an Haeckel, Ernst; Graz; 20.08.1910; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_18385