Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 7. August 1875

Heidelberg, 7. August 75.

Liebster Freund!

Meine Correspondenzkarte wirst Du vor zwei Tagen erhalten haben. Ihr lasse ich diesen Brief folgen, in welchem ich wiederhole daß ich die Arbeit von Rabl gerne annehmen werde, ich denke er wird etwas vorsichtiger sein als in der ersten Arbeit, in der er zb. die Entstehung der ob. Schlundganglien aus dem Ectoderm fand, dagegen über jene der unteren a nichts sicheres ermittelte, dennoch aber in seinem Resümé sich über das ganze Centralnervensystem positiv äußert. Solche halben Beobachtungen und ganzen Folgerungen kommen noch mehrere vor! Auch wäre es gut wenn Rabl bei seinen Zeichnungen angäbe ob er sie nach der Natur oder nur Schemata seien, optische oder wirkliche Schnittbilder. Seine Nieren Zeichnungen halte ich für rein schematisch construirt, ohne daß etwas darüber angegeben wäre. Ich halte es für dringend nöthig daß wir da auf die größte Sorgfalt sehen.

Heute habe ich mein Semester geschloßen nachdem ich die letzte Zeit über vielerlei Störungen hatte. Namentlich über Besuch || konnten wir uns nicht beklagen. Erst war meine Schwester mehrere Wochen hier, dann kam mein Schwager Streng mit Frau für einige Tage, dann langte meine Ritzebütteler Schwägerin mit Kindern hier an, davon wir zwei beherbergten. Die reisen nun morgen ab, und da wird Carus sie ablösen, der sich für einige Tage angesagt hat. Ich habe ihn seit zwei Jahren nicht gesehen. Leider trifft er bei uns einige Verstörung, da Dein kleiner Pathe an b einem Brechdurchfall mehrere Tage litt, und sich erst heute wieder etwas besser befindet. Wir hatten rechte Sorge um das bis jetzt völlig gesunde Kind, und sind noch immer nicht ganz sorgenfrei da die Symptome zwar nachließen, aber noch nicht ganz aufhörten.

Was ich für die Ferien ausführen werde ist noch nicht bestimmt. Mitte d. M werde ich für einige Tage in die Nachbarschaft gehen, dann für den September wahrscheinlich in die Schweiz oder an den Bodensee. Vielleicht bringe ich Emma auch nach Nürnberg. ||

Freys Grundzüge sind durch die Aufnahmen der Cytoden ein Fortschritt in der Histologie, der mich sehr freut. Auch Krauses Vertheid. der menschl. Alantois ist ein gutes Zeichen. Seien wir nur vorsichtig und standhaft, so wird Alles gelingen wenn auch wie selbstverständlich, nach und nach. Dir freilich, muß man das „nach und nach“ recht eindringlich vorhalten.

Ich will sehen was Du zu meinen Bemerkungen über Göttes Unke sagen wirst, manchmal will es mir scheinen daß es zu starker Toback sei, wenn ich aber dann wieder an das Buch denke, auch an die Mühe mich durch all’ den Unrath hindurchzuarbeiten, so c möchte ich noch mehreres gesagt haben. Daß das ganze „Crescendo“ gehalten ist, wirst Du bemerken. In Straßburg gilt der Kerl für einen Halbgott. –

Was ist denn wahres daran daß Klette weggehen soll? Da fällt mir bei daß ich Dich schon einmal um ein Buch aus der Jen. Bibl. gebeten habe, woran ich Dich erinnern möchte. Es ist aus dem Nordisk Med. Arkiv Bd. II, wovon ich No 23 brauche. Bei mir hier fehlt gerade das bezügliche Heft dieses Bandes. Sehr lieb wäre mir, wenn Du mir das Desiderat auf 1 Woche würdest zukommen || lassen können. Die Zeitschrift ist in Jena, ich habe sie selbst besorgt.

O. Hertwig theilte mir jüngst mit daß er sich in Jena zu habilitiren entschlossen habe. Ob ihm das nützlich sein wird scheint mir problematisch, da die Stellung zum Schwälbchen immer doch nur eine precäre sein wird. Fürbringer wird sich zum nächsten Semester, wie ich hoffe, gleichfalls habilitiren. Es thut das auch dringend noth!

Neulich war der junge Van Beneden hier, er wird auch Dich besucht haben. Er ist doch ein prächtiger Mensch voll guter, frischer Ideen!

Deine liebe Mama wird noch bei Dir sein. Grüße sie herzlichst von mir und empfange ebenso Grüße von Haus zu Haus. Vielleicht fliegst Du zum Herbst die Septe noch etwas südwärts, bis zum schönsten Winkel Germaniens herunter, und da wäre es recht wenn wir uns träfen. Doch vor Allem wünsche ich daß bei mir zu Hause alles gut ablaufen möchte. Meine Frau ist durch Nachtwachen sehr herunter, und wir Alle bedürfen der Erholung sehr. Lebe wohl und denke in Freundschaft

Deines treuen

CG.

a Gestr.: F; b eingef.: an; c gestr.: hä

Brief Metadaten

ID
9999
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
07.08.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,4 x 20,8 cm,
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9999
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 07.08.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9999