Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 17. Mai 1875

Heidelberg, 17. Mai 75.

Liebster Freund!

Die Beantwortung zweier lieben Briefe beginne ich mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Freude darüber daß es Dir dem glücklich Heimgekehrten wieder gelungen ist das psychische Gleichgewicht wieder zu finden, das ich im ersten jener Briefe noch vermißt hatte. Daß die Deinen wieder wohl sind, wird nicht wenig dazu beigetragen haben. So will ich denn Euch wünschen daß es so bleibt.

Nochmals möchte ich Dir wiederholen daß mir Alles darauf anzukommen scheint digerirtes Material zu liefern. Das große Problem kann nur in seinen Theilen gelöst werden, und da sind kleine Portionen eben so wichtig wie große. Wenn die Arbeit richtig war so wird’s schon passen, wenns auch für’s Erste nicht sofort zu sehen ist. Auch muß nicht Alles in einem Tage fertig werden. Dieß letztere scheint mir bei Dir hauptsächlich a zu moniren zu sein!!

Die von Dir beobachteten Fischeier sind mir quoad genus unbekannt. Gesehen hatte ich sie oftmals. ||

Das Göttesche Buch will Fürbringer studieren, bei dieser Gelegenheit sich in die Ontogenie b einarbeiten, da er sich gegenwärtig ohnehin mit einschlägigem Capitel beschäftigt, und daran soll sich die Besprechung reihen. Zu letzterer wird er sich jedoch nicht melden, wenn sie ihm nicht angetragen wird, so wird er’s lassen.

Was mich betrifft, so werde ich Bemerkungen zu Göttes Buch in meinem Jahrbuch publiciren, natürlich nur über solche Dinge in denen ich völlig zu Hause bin, oder es doch glaube. Götte ließ sich übrigens in Neapel recht sehr fotiren, und bildete dort den Mittelpunct der deutschen Stationisten. Ueber diese Station vernehme ich nicht viel löbliches. Die Enttäuschung scheint allgemeiner zu werden, und wenn der Hoftrompeter Oskar Schmidt nicht bald wieder etwas losläßt, wird’s bedenklich. Für Dohrns Buch habe ich keine Zeit, vielleicht lese ich den Unsinn später einmal. Langerhans wird seine Freiburger Stelle aufgeben und den Süden nicht verlassen. Er ist hektisch! Amphioxus hat ihn wie eine ganze Schaar anderer beschäftigt. Wenn da nun noch Müller dazukommt! Das wird wieder ein schönes Abenteuer geben.

Herr von Koch war kürzlich hier um seine Darmstädter Bestätigung abzuwarten. Er hat || nun die Stelle erhalten, und ist dorthin abgegangen. Mit den Vorträgen wird’s wohl hapern, allein die Sammlung ist jedenfalls recht gut dran. Auch ists besser daß Koch die Stelle hat denn ein Anderer. Von solchen war auch Götte gemeldet. Ebenso Herr Nitsche!

Bei mir hat sich das Semester besser als zu erwarten angelassen. Die Med. trifft gar kein starker Zuwachs, ich habe aber doch Einige mehr. Im Uebrigen ist’s jetzt herrlich hier. Prächtiger Sommersanfang.

Daß Wundt nach Leipzig geht ist erfreulich. Außer bei Zöllner wird er freilich wenig c wissensch. Berührungspuncte finden, wenigstens in den Cardinalpuncten!

Viele Grüße von Haus zu Haus!

Stets Dein treuer

CGbr.

Der Fußsack folgt per Fracht. Als Inlage findest Du ein paar Hefte des Microscop. Journal, die noch immer mir zugesendet werden. Sorge doch daß Ihr sie direct erhaltet.

a Korr. aus: Hauptsächlich; b gestr.: ab; c gestr.: Ber

Brief Metadaten

ID
9997
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
17.05.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,4 x 20,8 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9997
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 17.05.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9997