Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 28. Januar 1875

Heidelberg, 28 Jan. 75.

Liebster Freund!

Dank für den Brief der hiemit freundschaftlichst erwidert sei. Sehr interessant waren mir die Jenensia, die mich eigentlich beklagen lassen könnten dort so lange gelebt zu haben, wenn nicht damals doch eine andere Zeit gewesen wäre, an die ich gerne zurückdenke.

Wegen des Muskelunsinns kann ich Dir sagen daß die Varietät zur sehr großen Gruppe der Supracostales gehört, für den Fall nämlich der M. unter dem obliq. ext. liegt, und soweit ich die Lit. kenne, nicht bekannt ist in dieser Form. Mit dem Sternalis brut. hat sie gar nichts zu thun. Da ich gerade mit der Myologie beschäftigt bin, kann ich Auskunft geben, die früher unmöglich gewesen wäre. Huxleys Rückgang befremdet mich nicht. Warum der Mann nicht die Fische als vielzellige Infusorien oder die Infusor. als einzellige Fische aufführt! Wir müssen von da auf Alles gefaßt sein, und ich kann mir vorstellen daß H. noch katholisch wird. Sein Freund Misart ist es ja schon. Für den Bescheid wegen Fürbringers Arbeit besten Dank. Derselbe will mir die Arbeit geben, möchte aber gerne noch einiges ihm || wichtige nachsehen, wozu er hier nicht zu beschaffendes Material braucht. Könntest Du zu diesem Zwecke das Uromastix Exemplar welches der Anat. gehörte ablassen? Die Operation könnte so vorgenommen werden daß das Thier mit gut genähter Hautwunde noch ein stattliches Sammlungsobject bliebe. Dasselbe gilt von der Echidna, an der man äußerlich gar keinen Defect bemerken würde. Ich bin mit F. sehr zufrieden und würde mich freuen wenn ich ihm zu diesem Material verhelfen könnte.

Eben erhalte ich Milne Edwards Physiol. et anat. comp. Vol. X. und XI. I. Ein rein vor 30 Jahren geschriebenes Buch, es ist schauderhaft, was die Welt sich bieten läßt!

Die hiesigen Abonenten halten sich sehr über das Hertwigsche Supplement auf, und als ich neulich einem großen Manne bemerkte: wenn der Autor seine Arbeit in 10 zusammenhangslosen Aufsätzen publicirt hätte, so hättet ihrs ruhig verschluckt, erhielt ich zur Antwort: „man will eben verschiedene Artikel!“ Also das zusammenhängende macht üble Meinung; Indigestion hätte ich bald gesagt, wenn da überhaupt || etwas digerirt würde. Ich habe viel zu thun, und sehne mich sehr nach den Ferien. Vorher aber werde ich Dich noch sehen, und mich sehr freuen, besonders wenn Du es möglich machst, mindestens einen ganzen Tag hier zu bleiben. Es ist jetzt seit Wochen recht gutes Wetter hier, und die Landschaft ist auch ohne Grün reizend.

Fischer hat durch seine einhellige Wahl eine Instanz mehr für’s Bleiben gewonnen, wenn der L. Ruf noch an ihn kommen sollte, was kaum zu glauben ist. Bei mir geht es gut, und ich hoffe das Gleiche für Dich und die Deinigen. Grüße Deine liebe Frau bestens von mir und empfange tausend Grüße

von Deinem

CG.

Hast Du gehört wie Hasse sich mit seinen Studenten verzankt hat. Dem Manne scheint der Ordinarius etwas zu Kopfe gestiegen zu sein.

Brief Metadaten

ID
9995
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
28.01.1875
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,4 x 20,8 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9995
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 28.01.1875; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9995