Heidelberg, 21. Oct. 74.
Lieber Freund!
Besten Dank für Deinen Brief und die gestern erhaltene Postzahlung, die ich hiemit quittire. Und nun zur Hauptsache. Du wirst nämlich von mir und meiner Frau inständig gebeten bei meinem kleinen Sohne der nächsten Sonntag getauft werden soll, Pathe zu sein und wirst hoffentlich unserem Wunsche entsprechen. Kannst Du auch nicht persönlich anwesend sein, so werden wir doch geistig uns begegnen an jenem Tage, wie auch sonst so oft, sei es in der Erinnerung des gemeinsam Durchlebten, sei es in der Sehnsucht nach gemeinsamem Wirken. Jedenfalls aber erkenne in jener Bitte den Ausdruck des Wunsches daß wir auch in der nachgekommenen Generation uns nahe bleiben möchten. Ich glaube Du wirst mich auch darin verstehen. ||
Inzwischen bist Du wohl wieder von Berlin zurückgekehrt, nachdem Du die Deinigen dort in gutem Wohlsein getroffen, und stehst, wie ich, vor dem Semesterbeginn.
Für Heidelberg wird das Semester ein sehr schlimmes werden da an Juristen ein auf einige Hundert sich belaufender Ausfall sich herausstellen wird. An Medizinern ist, wenigstens für mich keine Vermehrung bemerkbar, und der Praeparirsaal, den ich gestern eröffnete, ist noch ziemlich leer.
In Anbetracht aller Verhälniße ist hiebei nichts weniger als der Muth zu verlieren, und ich habe keinen Zweifel daran daß eine Besserung meiner Frequenz nicht ausbleiben wird.
Vorgestern besuchte mich Leydig, der nur schweren Herzens nach Bonn geht, obschon er Tübingen gerne verläßt. Bei meiner Familie geht es gut, der Kleine fährt fort zu gedeihen, und meine Frau erholt sich, wenn auch manche Mißlichkeiten bestehen.
Grüße Deine liebe Frau von uns bestens und nimm beste Wünsche
von
Deinem
C.G.