Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 7. März 1874

Heidelberg, 7. März | 1874.

Liebster Freund!

Für Deinen jüngsten Brief der mir die Nachricht von Deinem Besserbefinden brachte, herzlichen Dank. Tage vorher hatte ich durch Hertwig Mittheilung über Deine neue Erkrankung erhalten und war schon recht besorgt um Dich, als dann Deine eigene Hand mich wieder beruhigte. Sei doch ja recht vorsichtig und suche nicht zu forciren und lerne Weisheit, endlich, im Schwabenalter!

Auch bei uns ist ein permanentes Lazarett! Erst war meine Frau längere Zeit bettlägerig, wenn auch ohne alle Besorgniß erregenden Umstände, dann, vor 14 Tagen erkrankte die Kleinste an heftiger Angina und jetzt ist auch Emma mit starkem Fieber und Angina zu Bette und macht uns Sorgen nachdem Ida wieder herumläuft! Hoffentlich geht auch der neue Zufall gut ab.

Unter solchen großen und kleine Nöthen lief mir das erste Heidelberger Wintersemester zu Ende und heute habe ich geschloßen, ohne jedoch bei der Krankheit meiner Tochter und noch vielerlei, die nächste Woche führenden Facultätsgeschäften das wohlthuende Feriengefühl || zu verspüren. Sobald ich von Hause abkommen kann werde ich eine kleine Erholungstour machen, wohin? weiß ich selbst noch nicht; thut einem hier doch ordentlich die Wahl wehe, wohin man sich wenden soll. Auch soll der erst langsam beginnende Frühling erst weiter gediehen sein.

Auf Deinen Besuch freuen wir uns ganz außerordentlich; Du hast ihn auch zu einer guten Zeit in Aussicht gestellt, nachdem Du zuerst von der ersten Märzwoche geschrieben hattest. Wir wollen dann den besten Theil der Osterferien gemeinsam genießen, und ich denke es soll Dir hier in jeder Hinsicht gefallen. Im Ganzen genommen blicke ich mit rechter Befriedigung auf das verfloßene Semester zurück, es war in vielen Stücken zwar hart für mich, und es gab Schwierigkeiten aller Art zu überwinden, allein das Bewußtsein Jena überwunden zu haben ist lohnend und die Aussicht auf die Gründung eines schönen Wirkungskreises gibt mir Muth und Vertrauen auf die Zukunft.

Mit Arbeiten habe ich mich in letzter Zeit kaum beschäftigen können, da fast jeden Tag Abhaltungen kamen, ich freue mich deßhalb herzlich auf ruhigere || Zeiten; und auf völlige Ordnung meiner hiesigen Situation.

Dem kleinen Cläuschen scheint der Kamm recht groß geschwollen zu sein! Bei jeder Seite seines Machwerks habe ich größeres Erstaunen gefaßt, wie er zu solchen Dingen kommt. Schade daß er nicht auch einen Onkel hat der das Alles schon lange vorher wußte. So ein Onkel Claus wäre ein ganz prächtiger Kerl und weit beßer zu citiren als Leuckärtchen, den ich stark im Hintergrunde vermuthe. –

Deine Familie hat sich wohl wieder völlig erholt, und Du gehst in fortschreitender Besserung! Grüße Deine liebe Frau bestens von uns und sage ihr daß meine Frau ihr langst geschrieben haben würde, wenn nicht ihre eigene Bettlägerigkeit, und dann die Krankheit des Kindes sie stets abgehalten hätten.

Dir selber empfehle ich zum Schlusse nochmals gründliche Schonung, und bin wie immer Dein treuergebener

CG.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.03.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9977
ID
9977