Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 24. Februar 1874

Heidelberg, 24 Febr. 74

Liebster Freund!

Unter der lebhaftesten Theilnahme mit Deinem Unwohlsein und Deiner Familie gleich unerfreulichem Befinden beantworte ich Deinen jüngsten Brief zugleich mit dem Ausdrucke des Bedauerns über die unangenehme Situation die Dir Jena zu verleiden scheint. Trotz der Fußtritte die ich dort erhielt, muß ich Jena beklagen, wenn es seinem Genius untreu wird, und allmählich auch in a der Wissenschaft tiefer sinkt. Du wirst Dir dabei dreifaches Erz um die Brust legen und in Ruhe abwarten bis Dein Stündchen zum Valetsagen schlägt. Es wird nicht lange bis dahin währen! Bei Alledem war aber doch Dein Brief für mich beruhigend, da er mir mein Weggehen von Neuem gut hieß. Was sollte dort aus mir geworden sein, wenn Du fortgegangen wärest? –

Sehr freue ich mich auf Dein hieherkommen, aber nicht einverstanden bin ich mit der Zeit und der in Aussicht gestellten kurzen Frist Deines Verweilens. Was das erste betrifft, so lese ich bis zum 7. März, und lasse bis zum 14ten präpariren. || Ist auch letzteres kein großes Hinderniß für unser Beisammensein, so ist es doch störend, und noch mehr sind Examina lästig, die zu jener Zeit sein werden. Das Wetter scheint gleichfalls mit dem Besuch nicht einverstanden, denn seit gestern drängen dichte Nebelwolken vom Rheinthal zum Neckar und senken sich bald als Schneeflocken bald als feiner Regen in den Straßenschmutz. Ich denke daß in 14 Tagen es besser ist und daß dann Heidelberg im Frühlingsschmucke Dich empfangen kann.

Fürs zweite: So rasch kömmst Du nicht von hier weg. Ordo amplissimus zählt in Jena manches werthe Haupt das weder durch Dispens vom Dienst noch andere Difficultäten die Function als Exdecan Dir abschlagen würde, und wäre dieß der Fall, dann erst recht fort! Wo man Ordinarii so halbe Semester lang in der Welt herumbummeln läßt, da kommt es auch auf das philos. Decanat wenig an. Freund Stickel ist gewiß in Jena! Und Dir thut Erholung und Zerstreuung noth, und ich freue mich so sehr auf Dich!

Wie froh bin ich nun das erste Heidelberger Semester hinter mir zu haben. Doppelt u. dreifach! Ich kann mir sagen manche || Klippe glücklich umschifft, manche Schwierigkeit beseitigt zu haben, und an vielen Erfahrungen – mehr als 10 Jenenser Semester hatten, – reicher zu sein. Habe ich erst meine Anstalt in Ordnung so ist hier gut sein. Bei den kolossalen Ausgaben für andere Institute bin ich im Zweifel ob man mir jetzt gleich meine Aenderungspläne genehmigen kann, da ganz institutionell regirt wird und meine Pläne der Kammer nicht vorgelegen haben. Es wird also auch da auf eine Geduldsprobe ankommen, die in Anbetracht manches anderen Guten der Anstalt, ausgestanden werden kann. – Also auf baldiges frohes Wiedersehen. Mit den besten Wünschen für Dein und Deiner Familie Wohlbefinden grüße ich Deine liebe Frau mit der meinigen bestens und bin stets

Dein treuer

C.G.

a Eingef.: in

Brief Metadaten

ID
9976
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Baden
Datierung
24.02.1874
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,6 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9976
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Heidelberg; 24.02.1874; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9976