Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Messina, 7. April 1873

Messina 7 April 73.

Lieber Freund!

Mit diesen Zeilen suche ich mein Versprechen Dir ein Lebenszeichen in die Levante zu senden zu lösen, nachdem ich bereits nach 11 Tagen hier bin, und in Neapel von Deinem glücklichen Eintreffen in Cairo gehört habe. Jena konnte ich erst am 16ten v.M. verlassen, verweilte dann noch einige Tage in Deutschland, um über Ancona – Foggia nach kurzem Aufenthalte in Neapel hieher zu gehen. Leider fiel mit meinem Eintreffen ein uns Alle tief erschütterndes Ereignis zusammen, indem der arme Vrolik erkrankte, und nach kaum 4 Tagen verschied. Es war wohl ein Typhus, obgleich die Hakims nichts wußten!

Die Colonie hat sich in Folge dieses Falles aufgelöst; Dieck ist mit den anderen nach Syracus gegangen, was || sie nach der Rückkehr beginnen werden weiß ich nicht. Ich wohne jetzt an der Marine im Hôtel Trinacria, sehr italienisch aber meinen Zwecken gemäß. Der große Pagenstecher und Cläuschen waren auch hier, ersterer verdarb uns die Ragazzi und letzterer sich den Magen, weßhalb er gestern heimreiste.

An Selachiern ist leider großer Mangel, zuweilen ist nicht einmal ein Stück auf dem Markte. Dagegen finde ich manches gute an Fischen, und beschäftige mich mit Conserviren und Zeichnen.

Das Wetter ist nach einigen Regentagen wieder recht gut, und hat mich schon mehrmals in die Fiumaren verlockt: Nach zwanzig Jahren! Wie viel ist inzwischen an mir vorübergegangen, Wie wenig hat sich da draußen verändert! Immer noch das höhenreiche Calabrien, dasselbe blaue Meer, der sockelumfaßte Hafen mit seinen Schiffen und der Lärm der Marine wie vor zwanzig Jahren! Ich habe mich hier nicht heimisch gefühlt, und manche alte Erinnerung || wachgerufen. Liebenswürdigsten Empfang fand ich bei Klostermann, der auch Dir Grüße sendet.

Von meiner in Heidelberg weilenden Familie habe ich gute Nachricht, und wünsche für Dich von der Deinen dasselbe. Vollende Deine Reise mit Befriedigung und in Gesundheit, und wenn wir dann beide wieder zum heimischen Herde zurückgekehrt sind, wird der Austausch des Erlebten und die Freude des Wiedersehens uns die kurze Trennung vergessen machen.

Lebe wohl und denke zuweilen

Deines treuen

C. Gegenbaur

Brief Metadaten

ID
9966
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Italien
Datierung
07.04.1873
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 20,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9966
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Messina; 07.04.1873; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9966