Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Burgsinn, 4. Oktober 1868

Burgsinn, 4. October | 1868.

Liebster Ernst!

Mit welcher Freude ich heute die Nachricht von dem frohem Familienereigniße empfing vermagst Du zu beurtheilen, wenn Du dabei den ganzen, vollen Maßstab unserer Freundschaft zu Grunde legst! Empfange meine herzlichsten Glückwünsche, Die ich Dir mündlich auszudrücken große Sehnsucht habe. Möge der Neugeborene in gutem Gedeihen Euch tägliche Freude bereiten, und am neuerbauten Stande die theuren Banden noch inniger knüpfen!

Daß Alles auch ferner gut gegangen ist, und gut geht, hoffe ich bald von Dir zu erfahren. Was mich angeht, so magst Du meinen bisherigen Ferienablauf in wenigen Worten a hören. Am Anfange der Ferien blieb ich 14 Tage zu Heidelberg, wo mir vieles || ohne mein Verschulden in die Quere ging. Doch liegt die Sache so daß jener Aufenthalt wohl nicht vergeblich war obgleich ich zur Stunde noch nichts sicheres weiß. Näheres mündlich, und dann auch hoffentlich! Bestimmteres. Anfang September blieb ich 8 Tage zu Würzburg, wo mich die Ordnung des Nachlasses eines Verwandten, sowie andere Familienangelegenheiten sehr in Anspruch nahmen, und auch den letzten Theil der Ferien ganz absorbiren werden. Ich bin daher noch nicht einmal dazu gekommen mein MS. anzupacken, geschweige zu arbeiten! Die zweite Hälfte des September benützte ich zu einer Erholungsreise am Bodensee und Höhgau. Auf der Hinreise war ich gleichzeitig mit Dir in Stuttgart, und beklagte sehr nicht gleich am ersten Tage zu Krauß gegangen zu sein. Als ich vernahm Du seiest nach || Carlsruhe, telegraphirte ich sofort an Seubert, mußte aber aus der Antwort sehen Daß Du auf diesem Wege nicht zu erreichen seiest, da das Telegramm in andere, Dir und mir unbekannte Hände gelangt war.

In Würzburg mußte ich das vorher übernommene Geschäft wieder aufnehmen, und habe eben ein paar freie Tage dazu benützt meine Schwester zu besuchen, theilweise auch im Interesse jener Angelegenheit, der ich mich aus Pietätsgründen nicht entschlagen darf. Mein theures Kind fand ich in bestem Gedeihen, der Aufenthalt im Gebirge hatte ihm trefflich bekommen, und auch meine gute Schwiegermutter fand ich rüstiger als ich sie zu Ostern verließ. Freilich wird mir dadurch kein Grund die Aufnahme meines Kindes ins eigene Haus minder dringend zu wünschen. Wie sich die hieher bezügliche Sache erledigen wird, weiß ich noch nicht, und befinde || mich deßhalb, wie Du begreifen magst, in nicht geringer Erregung. Jedenfalls werde ich nicht früher nach Jena kommen als mir ein definitiver Bescheid irgendwelcher Art geworden ist. Im günstigen Falle werde ich den Rückweg über H. nehmen. Wenn Du mir nicht inzwischen geschrieben haben solltest, so erfreue mich doch baldigst mit der Nachricht vom Wohlbefinden Deiner Frau, die ich bestens grüße, und des kleinen Ernestino, der, wie ich hoffe, nicht wenig dazu beitragen soll seinem Papa einen gleichmäßigen Pendelgang zu verschaffen!

Endlich bitte ich Dich noch bei Christel zu bestellen daß an mich anlangende größere Frachtstücke (Kisten etc.) sogleich b in die Parterrestube geschafft werden.

Mit aufrichtigem Bruderkuß

Dein treuergebener

C. G.

a Gestr.: erfah; b von oben eingefügt: sogleich.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.10.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9954
ID
9954