Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Jena, 18. April 1865

Jena 18. April 65.

Liebster Ernst!

Ich kann nicht von hier abreisen ohne Dir noch einmal einen kurzen, freundlichen Scheidegruß zu senden. Es ist mir als ob ich für immer wegzöge, und doch soll’s nur für wenige Tage sein; aber auch die kurze Zeit nimmt mir viel fort, viel von meinem eigenem Selbst, und so mag dann die Vorstellung des eigenen Wegganges, das Scheiden für immer, sich daraus ableiten.

Wenn ich daran denke wie der Weg den ich morgen antrete mich von Neuem beraubt, den Armen ärmer macht, so wird es mir unendlich schwer ums Herz, und nur der Gedanke daß auch dieß Verhängniß stark und fest ertragen werden muß gibt mir Muth, und ebenso die Hoffnung daß dem Wiederkehrenden doch ein sympathetisches Herz entgegenschlägt. Das ist sehr viel. Ich habe viele Erfahrungen darüber, glaube mir, und deßhalb ist mir Dein Werth weit über das gewöhnliche Maß erhoben.

Große Freude hat mir neulich der Bericht der philosophischen Facultät gemacht. Ich habe viele Berichte derart vor Augen gehabt. So warme Anerkennung habe ich noch in keinem gefunden. Deine Thätigkeit nach innen wie nach außen ist ausgezeichnet beleuchtet, und dabei ausgesprochen daß, wenn man bei der Besetzung der ordentlichen || Professur für Zoologie Dich nicht schon hier hätte, man doch nur Dich ausschließlich hätte denominiren können. Es hat diess alles und anderes mira sehr wohl gethan; und deßhalb schreibe ich’s Dir, weil ich mich nicht gerne allein freuen mag.

Vorgestern ward ich hier durch Friedreichs Besuch überrascht. Er war freilich nicht meinetwegen gekommen, wie ich einen Augenblick zu denken so eitel war, aber gefreut hat’s mich doch. Heute ist er wieder abgereist.

Eben brachte der Postbote mir Deinen lieben Brief. Ich habe ihn bereits zweimal gelesen, und danke Dir tausendmal dafür. Ja, ich werde Muth haben, „weiß ich doch gewiß daß nichts mich treffen kann als das bestimmte Loos.“

Doch ich muß nun zum Schluße eilen damit nicht die vierte Abhaltung zwischen diese Zeilen gerathe. Ueberdieß bleibt mir für den Abend noch Vieles zu ordnen. Nimm also freundliche Gedanken für Worte und sei mit den Deinigen herzlichst gegrüßt von

Deinem treuen

Carl Gegenbaur.

Daß Czermak berufen ist und angenommen hat, weißt Du wohl bereits schon.

a eingef.: mir

Brief Metadaten

ID
9934
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach
Datierung
18.04.1865
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
13,8 x 21,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9934
Zitiervorlage
Gegenbaur, Carl an Haeckel, Ernst; Jena; 18.04.1865; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9934