Paris
Hôtel Terminus, Gare St. Lazare
18n Mai 1901
Hochgeehrter Herr Professor,
Nachdem der erste Rausch von Begrüssungen und Glückwünschen zu der glücklichen Heimkehr aus dem fernen Oriente glücklich und fröhlich, wie ich hoffen darf, vorüber ist, – beeile auch ich mich || und Fräulein Kucera Ihnen unsere herzlichsten und wärmsten Glückwünsche darzubringen und freuen uns, daß Ihre herrlichen Jugendträume so wonnig und voll für Sie und so segensreich und erspriesslich für die ganze Menschheit in Erfüllung gegangen sind. – Denn welcher || Gebildete kann jetzt zweifeln, daß die durch Sie auf dem Continente so glänzend vertretene Wissenschaft der Deszendenztheorie nicht der höchste geistige Schatz ist, welcher den Menschen durch das Leben begleitet? Aber:
„Der blinden Welt behagt der Irrthum allzu sehr.
Vernunft ihr predigen, scheint ein Irrtum mehr.“|
So bleibt also die Lösung dieses moralischen Problems, mit welchem Ihr Name für ewig verknüpft wird, der Zukunft überlassen! –
Einen Theil des Winters haben wir bei sehr schlechtem Wetter in Paris verbracht und sind jetzt begriffen nach Basel zurückzukehren. – Der Himmel zeigt jetzt ein besseres Gesicht und in dem Augenblick, wo ich schreibe, fährt der Vater des Volkes, der Präsident Loubet in einer glänzenden Kutsche von 15 Cyclisten begleitet, welche sein Leben bewachen müssen, am Terminus-Hôtel vorbei, ohne zu ahnen, daß ich, von anderen Gefühlen geleitet,| an Sie schreibe. – Einige Zeitschriften haben über Sie und Ihre Orientreise geschrieben und Sie insbesondere als Naturmaler oder Landschaftsmaler hervorgehoben. – Geniessen Sie den Abend Ihres Lebens fröhlich und zufrieden und vergessen Sie uns nicht! –
Mit herzlichen Grüssen von mir und Fräulein Kucera, –
Ihr ganz ergebener
Paul Ritter
Anbei ein Recept für Ihr krankes Knie.a
Vielen Dank für die schönen, einfachen und anschaulichen Malayischen Reisebriefe.b
a Schlußworte ("an Sie schreibe […] Knie.") kopfüber auf S. 4 nachgetragen; b Nachschrift vertikal am Rand von S. 4 nachgetragen