Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Frankfurt am Main, 22. Oktober 1897

Frankfurt/Main

Hôtel z. Schwan

22 October 1897

Hochgeehrter Herr Professor,

Von Herzen sage ich Ihnen meinen innigsten Dank für Ihre liebenswürdige Zuschrift v. 20n Oct. 97 und für Ihre freundliche Anerkennung, mit welcher Sie das Ihnen zugeschickte Werk des berühmten holländischen Anatomen Peter Camper in Empfang genommen haben. – || Inzwischen habe ich von einer hier wohnenden ungarischen Künstlerfamilie die merkwürdige Thatsache erfahren, daß ein Mitglied derselben von 59 Jahren, männlichen Geschlechtes, Milch in seinen beiden Mamellen führt, welche Erscheinung die Griechen des Alterthums zu verachten pflegten. – Ich danke Ihnen für Ihre väterliche Fürsorge daß Sie die Arbeiten, welche der australische Forscher begonnen und auf selbstsüchtige Weise gegenwärtig verlassen hat, durch andere Gelehrte und Naturforscher zu Ende führen || wollen. – An jedem edlen Gewächs findet man neben einer ebenbürtigen Frucht auch faule Produkte und ich muß Ihnen gestehen, daß ich die den speciellen Fall betreffende Persönlichkeit niemals für ein Muster großer Tugenden gehalten habe. –

Die Ihnen zugeschickten antiseptischen Recepte und insbesondere die N 1, N 2 und N 3 haben hier große Abnehmer und Bewunderer gefunden und werden dazu beitragen die Grundlage des Systems || der inneren Medicin zu verändern. –

Hippocrates hat ja dasselbe System in seinen Aphorismen zur Sprache gebracht, aber weil damals die Microben nicht wissenschaftlich bearbeitet werden konnten, weil die dazu nothwendigen Beobachtungsinstrumente (das Microscop) fehlten, wieder fallen lassen. – N. 1, 2 und 3 sollten eigentlich in keiner Familie fehlen, die Übrigen müßten individualisirt werden. Ich habe die Anfertigung und den Verkauf derselben der Rosen-Apotheke von H. Apotheker Engelhard geschenkt und er macht, glaube ich, gute Geschäfte.

Ich selbst benutze sie und meine Lendenwirbel sind damit sehr zufrieden und das venöse Blut circulirt gut. Besonders sind mir die Damen hold und es geht mir ebenso wie dem Caspar in den 3 heiligen Königen u. Goethe, welchen die Frauen liebten, ob er ihnen freilich weder Gold noch Myrrhen aus dem Morgenlande mitgebracht hatte. – Ein schöner von Microben reiner Teint zieht Bewunderer an.a ||

Doch genug für heute. – Herzliche Grüsse mit der Freude Sie wieder gesund und wohl in Jena zu wissen. Meinen besten Gruss an Ihre liebe Frau Gemahlin. – Ich bleibe hier nur bis 1 Nov 97 dann Paris und südliches Frankreich.

Hochachtungsvoll,

Paul Ritterb

a Vorletzter Absatz ("Ich selbst […] an.") kopfüber und an den Rändern von S. 4 nachgetragen b Schlußworte ("Doch […] Ritter") vertikal auf S. 1 nachgetragen

Brief Metadaten

ID
9362
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
22.10.1897
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,3 x 22,1 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9362
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Frankfurt am Main; 22.10.1897; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9362