Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Biarritz, 8. Januar 1894

Biarritz

Hôtel d’Angleterre

8r Januar 1894

Hochgeehrter Herr Professor,

Ich danke Ihnen und Ihrer lieben Familie für die herzlichen Glückwünsche zum Jahreswechsel, welche ich aus vollem Herzen dahin erwidere, daß aus dem dunklen Schoose desselben Ihnen und allen Ihren Lieben Glück, Gesundheit und Zufriedenheit erblühen möge und alle Augenblicke Ihres Daseins durch || keine unerwarteten Zwischenfälle getrübt werden möchten. –

Die Ihre freundlichen Glückwünsche begleitenden litterarischen Weihnachtsgaben, unter welchem das prächtig ausgestattete Werk ihres ehemaligen Schülers H. Dr. W. Haacke azu nennen wäre, habe ich am 6n Jan. 1894 in Biarritz dankbarst in Empfang genommen. – Die unglückliche Gemmerien-Apotheke, mit welcher er sich über seinen altver||ehrten Lehrer erheben wollte, hat dem schönen Werke mehr geschadet wie genützt. – Wer Ihre herrliche u. klassische Einleitung zu Prof. Semons Reisewerke gelesen hat, muß erstaunen wie die phylogenetische Entwickelungslehre darin (d. h. in Dr. Haackes Werke) behandelt wird. In den Naturgesetzen giebt es keine Zwischenfarben und zu bedauern ist, daß unsere blöden Sinne und Instrumente b unsere chimmelanstrebende Phantasie nie zum wahren Ausdrucke bringen werden. – ||

In dem Semonschen Werke vermiße ich die colorirte Ausstattung der Karten des Australischen Continentsdhydrographisch und orographisch und des Malayischen Archipels und dieses um so mehr als letzterer in fünf Abtheilungen eingetheilt zu werden pflegt:

1. Indo-malayischer Arch. 2. Celebesgruppe 3. Timorgruppe 4. Molukken 5. Neu-Guinea. – Babirusse’s Wanderungen hören mit Letzterem auf und der Hirscheber hat sein Erscheinen dem australischen Continente versagt. – Die für die Herausgeber des stattlichen Semonschen Reisewerkes versprochenen10/m RM D.W. werde ich im Laufe dieses Jahres an Ihre werthe Adressezahlen so, daß die Zinsen dieser Summe, wie ich H. Prof. Semon kürzlich schrieb, zu einer populären mit vielen Illustrationen und colorirten Kartenversehenen || Beschreibung seiner australischen Reise verwendet werden möchten. – Damit kommt die Phylogenie unter die Leute. – Wir haben hier sehr kaltes Wetter und niedrigen Barometerstand so, daß man die Blutatmosphäregut studiren kann. – Die inneren Organe stehen unter dem leichten Barometerdrucke und senden die Blutströme an die Oberfläche der Haut, welche viele belästigende Krankheitenverursacht. Nach dem 20 Jan. wo die SWstürme aufhören, bekommen wir gewöhnlich warmes und constantes Wetter. – Mit einem herzlichen Grusse an alle Jenenser Freunde schließe ich diesen langen Zeilen mit einem warmen Händedrucke und zeichne, – hochachtungsvoll –

Paul Ritter

Das Fräulein Kucera dankt für das freundliche Andenken und wünscht Ihnen ein glückliches n. Jahr 1894. –e

a eingef.: zu nennen wäre; b gestr.: nicht c eingef.: himmelanstrebende; d eingef.: hydrographisch und orographisch e Schlußsätze ("Beschreibung […] 1894.“) im Freiraum und an den Rändern von S. 1 nachgetragen

Brief Metadaten

ID
9339
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Frankreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Frankreich
Datierung
08.01.1894
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,1 x 22,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9339
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Biarritz; 08.01.1894; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9339