Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Biarritz, 29. Dezember 1891

Biarritz

Basses Pyrènées

France

Grand Hôtel

29 December 1891

Hochgeehrter Herr Professor,

Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief v. 26 December 1891 und für die herrlichen Gelegenskarten anläßlich der Hochzeitsfeier Ihrer lieben Tochter Elisabeth, an welche ich mir erlaubte, – am 28 December eine Gratulations-Depesche aus Biarritz zu schicken, da ich in Übereinstimmung mit Ihrer Mittheilung v. 6 November 91 glaubte, daß die Hochzeitsfeier an diesem Tage in Jena stattfinden würde. || Wenn ich auch leider verhindert war mich an dieser schönen Familienfeier persönlich zu betheiligen, – so war ich nichtsdestoweniger an diesem Ehrentage in Gedanken in Ihrer gemüthlichen und liebenswürdigen Mitte. – Auch Fräulein Kucera dankt für die Übersendung der sinnreichen Hochzeitskarten und für Ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit sie damit überrascht zu haben. –

Von H. Prof. Semon habe ich bereits zwei Briefe aus Australien erhalten und zweifle keinen Augenblick an dem günstigen Ausgange der ihm unter Ihrer erfahrenen Leitung anvertrauten wissenschaftlichen Mission. – Der Triumph der Wissenschaft über den Glauben ist gesichert und Ihnen als dem Vertreter || der neuen Lehre und S. Königl. Hoheit dem Grossherzoge Carl Alexander von Weimar, als dem Schirmherrn derselben, ein bleibendes Denkmal der Dankbarkeit mit diesem neuen Fortschritt in der Geschichte der Menschheit gesetzt. – Sobald es für die Bedeutung der wissenschaftlichen Errungenschaften nothwendig wäre, daß H. Professor Semon über den ihm vorgeschriebenen Zeitpunkt in Australien verbleiben sollte, – so bin ich bereit in Verhältniß zu meinen bescheidenen Mitteln auch noch Etwas beizusteuern. – Bei meiner Rückkehr nach Basel werde ich mich sofort an das Studium der neuen (IV. Auflage) Ihrer hochgeschätzten Anthropogenie machen und insbesondere die || mir in Ihrem Geehrten v. 6 November 91 bezeichneten Vorträge machen und Ihnen den Eindruck mittheilen, welchen dieselben auf mich gemacht haben. –

Die Weltanschauung von Carus Sterne habe ich nicht gelesen, aber seine auf der Entwickelungslehre gestützte „Religion der Zukunft“ habe ich zu meiner eigenen schon längst gemacht. – Gegenwärtig studire ich die Geschichte des christlichen Dogmas und den wichtigen Antheil, welchen Maria Magdalena, welche den auferstandenen Nazarener zuerst erblickte, an der Begründung des Christenthums gehabt hat. – Auch bin ich durch Zufall in den Besitz von Büchern gekommen, welche gerade das Gegentheil von dem enthalten, was gewöhnlich gelehrt wird. – Als Monistiker muß ich dieses Alles wissen –.

Aus folgenden barometrischen Aufzeichnungen können Sie auf die Witterung schließen, welche wir hier im Winter haben:

19 Decemb. 783 C 3 NO kl

20 " 781 C -1 O kl.

21 " 780 c 0 O kl

22 " 788,5 +1 C O kl

23 Decemb. 777 5 C +2 O B

24 " 773,5 C +11 SW kl.

25 " 778 C 11 SW kl.

26 " 777 C 11 SO kl.

27 " 778,5 C 2 W B

28 D. 781 C 12 SW kl.

29 " 782 C 14 SW B ||

Mit einem herzlichen Gruße an Ihre liebe Frau, zeichne in unwandelbarer Verehrung und Hochachtung. –

Ihr ergebener Paul Ritter

Anbei einige Ansichten von Biarritz zum Bekleben von Briefen.a

a Schlußworte ("Mit […] Briefen.«) vertikal auf S. 1 nachgetragen

Brief Metadaten

ID
9317
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Frankreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Frankreich
Datierung
29.12.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9317
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Biarritz; 29.12.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9317