Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Paris, 15. November 1891

Paris

15 November 91

Hoch geehrter Herr Professor,

Mit der Bitte um Entschuldigung für die verspätete Beantwortung Ihrer geehrten Zuschrift vom 6n November 91, welche von zwei prächtig gebundenen Bänden Ihrer bei Engelmann in Leipzig erschienenen vierten Aufl. der Anthropogenie begleitet war, – sage ich Ihnen meinen tiefgefühlten, wärmsten Dank. – Ich wünsche, daß diese Erstlinge || Ihrer herrlichen Arbeit von Anderen ebenso theilnehmend und warm empfunden werden möchten wie von mir. – Auch zweifle ich nicht, daß diese neue Auflage Ihres Werkes wie alle aIhre früheren Arbeiten berufen ist einen würdigen Platz in der wissenschaftlichen Literatur für alle Zeiten einzunehmen. – Die von Ihnen bezeichneten Vorträge werde ich mit besonderer Aufmerksamkeit lesen, studiren und beherzigen. – Eine geistige Arbeit kann ja nicht für immer abgeschlossen werden, denn was heute neu, ist morgen schon alt. – Aber das Gegenwärtige lebt ja nur stets von dem Vergangenen und der goldene Boden der Entwickelungslehre ist in Deutschland die Frucht Ihrer geistigen Arbeiten. – Welche || Mühe es Ihnen gekostet haben mag, die neue Auflage Ihres Werkes mit den geistigen Errungenschaften der Jetztzeit zu bereichern, kann nur derjenige begreifen, welcher für die Entwickelungslehre keinen Stillstand, sondern ein ewiges Vorwärtsdringen und Streben nach Wahrheit annimmt. –

Und was ist nicht auf dem Gebiete der vergleichenden Anatomie und Physiologie noch zu leisten? Trösten Sie sich mit dem Ausspruche Giordano Brunos, welcher kurz vor seinem Feuertode in die Worte ausbrach: Ich danke dem Himmel für die Gelegenheit mich kühn und begeistert der Erforschung des höchsten gewidmet b || und mit den errungenen Kenntnissen mein Alter bereichert zu haben. –

Vor einigen Tagen bin ich nach Paris gekommen um von hier zum Winteraufenthalt nach Biarritz zu reisen. – Da ich in einigen Tagen von hier abreise und nicht weiß, wo ich in Biarritz logiren werde, so werde ich mir erlauben Ihnen von dort zu schreiben –

Ich wünsche Ihnen und Ihrer lieben Familie das beste Wohlergehen und bedaure von Herzen Ihrer gütigen Einladung zu den Hochzeitsfeierlichkeiten Ihres Fräulein Tochter nicht Folge leisten zu können. – Im Geiste aber werde ich caber gegenwärtig sein. –

Empfangen Sie mit der vorzüglichsten Hochachtung die freundlichsten Grüße von Ihrem Sie hochachtenden

Paul Ritter

Fräulein Kucera hat mich gebeten Sie freundlichst grüßen zu lassen. –d

a eingef.: Ihre b gestr.: zu haben c eingef.: aber d Nachsatz vertikal am Rand von S. 4

Brief Metadaten

ID
9315
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Frankreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Frankreich
Datierung
15.11.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,5 x 21,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9315
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Paris; 15.11.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9315