Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Frankfurt a. Main, 15. März 1891

Frankfurt/Main

Hôtel d’Angleterre

15r März 1891

Hochgeehrter Herr Professor,

Bei meiner Rückkehr aus Paris nach Basel wurden mir Ihre Aufzeichnungen über Algier, im Separatdrucke aus der Deutschen Rundschau, behändigt und, ergreife ich mit hoher Freude die Gelegenheit um Ihnen für die liebevolle Zuschickung derselben meinen || tiefgefühlten Dank hiermit zum Ausdruck zu bringen. –

Diese mit wissenschaftlichem Ernste, aber auch zugleich mit burschikosem Schwunge geschriebenen Reiseerinnerungen gewähren mit Ausnahme des unliebsamen Vorfalls, welcher Sie im Reiche der Mode und der sogenannten guten Sitte treffen mußte, eine äußerst anziehende und belehrende Lektüre über die || ehemaligen Verhältnisse des romantischen Eurasiens und bilden einen von Ihnen ans Licht gezogenen Edelstein aus grauer Vorzeit des Kampfes ums Dasein der Entwickelungsgeschichte unseres Planeten. –

Wie wäre es sobald Sie mit den Ihnen zu Gebote stehenden jüngeren Kräften eine wissenschaftliche Expedition nach Neu-Seeland abgehen ließen, wo die gleichen Verhältnisse a in einem vielleicht noch ausgedehnterem Maße und imposanterem Bilde anzutreffen wären? – Auch hier könnte man für die Wissenschaft || Edelsteine aus grauer Vorzeit entdecken? In Ihren Plankton-Studien ist viel, viel Wahrheit und ob es gleich schön ist Wahres zu lesen, so kann dieselbe, in so condensiertem Maasse von Ihnenb dem Publikum verabfolgt, manchmal für den ersten Endzweck von Nachtheil werden, insofern das fremde geistige Eigenthum mit dem gewöhnlich ärmeren eigenen leicht verwechselt werden könnte? – Eine wissenschaftliche Expedition nach dem Südsee würde hier vielleicht Manches rechtzeitig verändern. Die Wiener Akademie hat ja schon eine Südseec-Expedition d nach dem östlichen Becken des Mittelindischen Meeres abgehen lassen, während Sie mit den wissenschaftlichen Aufzeichnungen des westlichen Beckens noche beschäftigt waren. –||

NB. Mit dem Absenden gegenwärtigen Briefes beschäftigt, – erhalte ich Ihren freundlichen Brief v. 15n März 1891 mit der herrlich gelungenen Photografie des jungen Brautpaares. – Gratuliere von Herzen zu der glücklich gelungenen, gefährlichen Operation Ihrer lieben Frau, aber da derartige Krankheiten im Blute liegen, – so müssen gute, [xxx] Vittelwasser und hygienische Mittel nachhelfen. –

Die Harnsäure ist aus dem Blute zu entfernen. Haben Sie die Broschüre über die Vittel-Wasser erhalten? – Fräulein Kucera lässt Ihnen herzlichst für Ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit danken. Ihrer lieben Frau meine Bewunderung über ihren Muth und ihre Entschlossenheit.f

Kommen Sie auf einen Tag nach F/Main, – wo Sie herzliche Aufnahme, gutes Essen u. Trinken und eine gut besetzte Oper im Opernhaus finden werden. – Ruhe nach Arbeit ist nothwendig. –|

Durch Sie und die jetzt allgemein verbreitete Theorie der monistischen Lehre sind wir in eine neue, dankbare Zeitepoche getreten. – Nun man muß abwarten was kommen wird und hege ich die Überzeugung das Jena in dieser Beziehung nicht zurückbleiben wird. – In der Voraussetzung, daß Sie Alle wohl sind bitte ich mich Allen aufs Beste zu empfehlen und den eingeschlossenen Briefg nebst BeifügeGeschenkh Ihrem Fräulein Tochter Elisabeth, der glücklichen Braut, in meinen Namen übergeben zu wollen. –

Mit herzlichen Grüßen

Ihr ergebener Paul Ritter

Ich bleibe in F/Main per 1n April 1891. Freue mich sehr zu lesen, daß Dr. Semon von Ihnen nach dem Südarchipel geschickt wird, und danke für die Fotografie Ihres von Prof. Kopf in Rom äußerst gut modellierten Bildes.

a gestr.: vielleicht; b eingef.: von Ihnen; c eingef.: Südsee; d gestr.: nach e eingef.: noch; f Text am Fuß von S. 2 f. nachgetragen: derartige Krankheiten … Entschlossenheit.; g eingef.: den eingeschlossenen Brief; h eingef.: Geschenk

Brief Metadaten

ID
9308
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
15.03.1891
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
12,5 x 20,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9308
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Frankfurt a. Main; 15.03.1891; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9308