Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Basel, 11. August 1890

Basel

Schärtlingasse 8

11 August 1890

Hochgeehrter Herr Professor,

Die mir mit Ihren geehrten Zuschriften vom 2n + 6n August 90 angemeldeten Bücher habe ich alle richtig erhalten und danke Ihnen von Herzen für die schönen Liebes- und Geistesgaben, so insbesondere für das herrliche Werk von Suess „Das Antlitz der Erde“. – Corfu sollen Sie nach Durchsicht retour erhalten und seine anziehende Lectüre wird mir eine liebevolle Erinnerung an Sie sein. – Die Trauer um das|| gescheiterte Project der Gründung einer naturwissenschaftlichen Volksbibliothek auf monistischer Grundlage ist vollständig gehoben und hat sich im Glorienscheine auf[ge]löst durch die Mittheilung, daß Ihnen für Ihre wissenschaftlichen Verdienste im Oktober a. c. die große, goldene Swammerdam-Medaille überwiesen wird. – Ich schätze meine innige, aufrichtige und herzliche Freude ebenso groß wie die Ehre welche Sie in Amsterdam erwartet. – Die leichtlebige und heuchlerische Welt der Gegenwart scheut sich der|| Wahrheit ins Auge zu blicken und scheint die Finsterniß dem Lichte vorzuziehen. – Ein anderes Mittel die Wahrheit zu erforschen und Stellung in der Schöpfung einzunehmen giebt es nicht außer dem unabläßigen und sorgfältigen Studium der Natur. – Diese ist allen Menschen zugänglich und man braucht gewiß kein wissenschaftlicher Pedant zu sein, um die Schläge seines Herzens mit dem rhythmischen Gange der unveränderlichen und so ganz einfach bescheidenen Naturgesetze in Einklang zu bringen.|| Aber der Kluge weiß daß die Menschen von nichts so überzeugt sind, als von ihren Irrthümern und dies wird die Ursache des Mißerfolges gewesen sein, welchen Sie, hochgeehrter Freund, bei Ihren stolzen Collegen gefunden haben. – Selbstüberhebung nach oben ist viel gefährlicher als Selbsterniedrigung nach unten. – Wenn es auch in dieser Beziehung um mich herum einsam, finster und öde ist, so lebe ich a der Überzeugung in Ihnen das Licht und die Leuchte gefunden bzu haben und bin glücklich und zufrieden ob ich gleich in letzter Zeit üble Herzenskränkungen habe erfahren müssen. – Der Mensch ist grausam, gefräßig und schmutzig und cmit diesen Ausnahmeeigenschaften will er absolut keine Aufklärung haben. –

Ich freue mich zu erfahren, daß es Ihrer lieben Frau besser geht und würde mich freuen Nachrichten über ihre vollständige Genesung zu erhalten. – Meine herzlichsten Grüße. – Empfangen dSie einen warmen Händedruck von Ihrem Sie schätzenden

Paul Ritter

Eine Zusammenkunft würde sehr erwünscht sein. – 10n Septr. bin ich in Basel. –e

a gestr.: in b eingefügt: zu haben; c eingefügt: mit; d eingefügt: Sie einen e Nachschrift vertikal am recht Rand von S. 4

Brief Metadaten

ID
9304
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
11.08.1890
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,4 x 20,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9304
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Basel; 11.08.1890; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9304