Harro Magnussen an Ernst Haeckel, Berlin-Grunewald, 6. Mai 1902

Harro Magnussen Grunewald-Berlin, d 6 Mai 1902

Bildhauer Delbrück-Strasse 23.

Lieber sehr verehrter Herr Professor!

Soeben erhalte ich Ihren Brief, der sich mit dem meinen gekreuzt hat. Herr v. Rottenburg schrieb mir, auf meinem Brief, der schon fort war, ehe Ihr erstes Verbot ihm zu schreiben mich erreichte, er sei bereit eventuell 10.000 M zu geben. Also sieht das doch nicht danach aus, als ob die Summe schwer zusammen kommen würde, außerdem handelt es sich doch jetzt gar nicht mehr um das Denkmal selbst, sondern lediglich um die Frage, ob ich durch das Reugeld des Herrn v. Ritter und die erheblich geringere Summe, die nötig ist um allein die Statue || fertig zu stellen und in Bronze zu gießen, in den Stand gesetzt werde, diese Arbeit zu machen, um nicht des künstlerischen Erfolgs verlustig zu gehen, der mir aus dieser Arbeit erwachsen würde. Die Statue kann ich dann auf Ausstellungen schicken, sie würde in das Eigentum eines zu bildenden Comités übergehen, und könnte so lange aufbewahrt werden, bis die Zeit zur Aufstellung des Denkmals gekommen ist, um nicht zu sagen, bis Sie tot sind. Für die Ausführung des Sockels etc. würde sich dann später das Geld leicht finden. Meine Berechnung ist etwa dann so:

Herr von Ritter zahlt: 5.000 M erste Rate

15.000 M Reugeld ||

Ihre Freunde bringen etwa 15.000 M auf

Summa 35.000 M

Davon bekommen Sie 5.000 "

Bleiben 30.000 "

Ich liefere für 30.000 M die Statue fertig in Bronze und sie wird mir für Ausstellungszwecke einstweilen überlassen, und wird später als Eigentum eines Comités irgendwo deponiert. Es wird ein Abkommen getroffen, daß nach Ihrem Tode die Aufstellung des Denkmals nach meinem Entwurfe ausgeführt wird, wenn das nötige Geld zusammen.

Wie mir scheinen will ist dieses Arrangement im Hinblick auf den großen Verlust, den ich durch Entgang dieser für mich so sehr bedeutungsvollen Arbeit, das wichtigste. Einmal müssen und werden Ihre Freunde und Ver-||ehrer doch in die Tasche greifen, ob vor ihrem Tode oder nachher, ist das so sehr etwas anderes?

Außerdem können die, welche jetzt mehr geben, aus einem etwaigen Überschuß bei späterer allgemeiner Sammlung entschädigt werden, nach einer jetzt schon festzusetzenden Maßgabe. Wenn Herr v. Rottenburg die 10.000 M giebt unter der Bedingung daß er bei der allgemeinen späteren Sammlung 5000 M zurückerhält, so macht er mit dieser hochherzigen Zahlung nicht Ihnen, sondern mir ein großartiges Geschenk, er setzt mich in den Stand, für meine Zukunft eine bedeutungsvolle Arbeit zu schaffen, die mir auf meinem Lebenswege weiter hilft. ||

Wenn ich von „Blamage“ schrieb, so that ich es nur, weil Sie selbst mehrfach diesen Ausdruck in ihrem Brief, für alle drei Beteiligten gebrauchten, sonst hätte ich es nicht gewagt, Ihnen von einer Blamage zu schreiben, da ich doch selbst so genau weiß, wie correct und vorsichtig, wie widerstrebend Sie an die ganze Sache herangingen. Ich hatte nur das Gefühl, daß man Sie womöglich vor dem widerlichen Hohngelächter Ihrer Feinde schützen müßte, daß man die ganze Angelegenheit womöglich nicht an die Öffentlichkeit bringen sollte, um Sie nicht einer || einzigen spöttischen Bemerkung auszusetzen, wenn es auf irgend eine, nur halbwegs annehmbare Weise möglich gemacht werden könnte. Und da ist mir der eingeschlagene Weg immer noch der richtigste erschienen. Herr v. Ritter wird nicht einen aussichtslosen Prozeß gegen sich anstrengen lassen, wenn man ihm sagen kann, das ganze Projekt ist ohne ihn schon pekuniär gesichert, dadurch wird der Prozeß vermieden, und dadurch kommt die Sache garnicht an die Öffentlichkeit. Andererseits ist die jetzt etwa von Freunden gezeichnete höhere Summe nur || eine Art Vorschuß an den Künstler damit dieser nicht geschädigt wird, bei späteren Sammlungen kann die betreffende Summe als zur Hälfte oder 2/3 zurückzahlbar festgesetzt werden.

Sie brauchen von der ganzen Sache eigentlich nichts zu wissen, ich bin derjenige, der leiden soll, und ich appelliere an Ihre Freunde und Verehrer nur für mich, nicht für Sie. Und das bin ich meiner Familie schuldig, weil ich bis jetzt pekuniär sehr schlecht stehe.

Mit verbindlichen Grüßen auch von meiner Frau

Ihr ergebenster

Harro Magnussen

Brief Metadaten

ID
9150
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
06.05.1902
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
7
Umfang Blätter
4
Format
14,0 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 9150
Zitiervorlage
Magnussen, Harro an Haeckel, Ernst; Berlin-Grunewald; 06.05.1902; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9150