Geehrter Herr Professor!
Anläßlich einer die Transmutations-Lehre betreffenden Controverse wird mir ein Passus aus Luthhard’s Apologie des Christenthums (Apologetische Vorträge über die Grundwahrheiten des Christenthums, 4. Auflage, 1865) vorgelegt, deßen Wortlaut (pag. 259) folgender ist: „Und der bekannte Naturforscher v. Baer in Petersburg schreibt an Rudolf Wagner: „Je mehr ich in Darwin lese, um so mehr bin ich von meiner eigenen (beschränkten) Transmutationslehre zurückgekommen‘“.
Nach Allem, was mir über Baers Arbeiten bekannt ist, scheint es mit unwahrscheinlich, daß ein Forscher von so tiefem || Einblick in das Wesen organischer Entwicklung ein Gegner Darwins sein sollte; auch kann ich in jenen Worten so, wie sie außer dem Zusammenhange vorliegen, nur finden, daß Baer seine früheren Vorstellungen zu Gunsten Darwins aufgiebt. Freilich haben solche Zusammenstellungen von Autoritäten (natürlich fehlt auch Agassiz in der Sammlung nicht!) zur Bekämpfung einer naturwißenschaftlichen Theorie für die naturwißenschaftlich Gebildeten nur ein humoristisches Intereße; aber es scheint mir hier von jener Säule der Orthodoxie mit dem Namen des verdienten Mannes Mißbrauch getrieben zu werden. Auch scheint es mir im Intereße der Sache und gegenüber manchen „Gebildeten“, welche ihr Urtheil aus ihrem || Verständniß zugänglichen Nebendingen schöpfen, lieb, die Unrichtigkeit jener Auffaßung darthun zu können. Da ich in Schwelm, einer kleinen Stadt Westfalens, das wißenschaftliche eines Robinson zu führen habe, stehen mir die erforderlichen Hülfsmittel nicht zu Gebote. Vielleicht entschuldigen Sie die Freiheit, mit der ich mich an Ihre reicheren Kenntniße und litterarischen Mittel wie Verbindungen wende, und geben mir Gelegenheit, neben dem Dank, den ich für die aus Ihren Werken geschöpfte Belehrung Ihnen schulde, mich noch für eine persönliche Gefälligkeit Ihnen dankbar zu bekennen.
In Hochachtung
ergebenst
Adolph
Reallehrer.
Schwelm (Westfalen) | den 24. Januar 1875.