Karl Alberts an Ernst Haeckel, Oberwesel, 14. Mai 1879

Villa Kosmos, Oberwesel a./Rh., den 14. Mai 1879

Allerferertester [!] Herr u. Meister!

Dismal ist es wirklich der schnöde Eigennuz, der mich dazu antreibt, Ire heilige Muße zu stören. Di Sache ist – one weitere Forrede – dise: Ich habe for kurzem ein Haus aquirirt, am schönsten Stükk Reines-Ufer und habe daselbe – wi oben angedeutet und Inen auch wol schon früher ferraten – nach Irem „Organ“ betitelt. Zum Haus gehört ein alter Turm und zu disem ein Zimmer mit merschdendeels runden und wie zur Benuzung à la Stammbuch geschaffenen Wänden. Da Sprüche à la Wartburg od. Bodenstedt allzu „ausgefaren“ sind, so habe ich mich selbst an inhaltlich mir zusagenden Ersaz gemacht, bin aber – wi Si sich leicht denken können – über einige Selbst-Beweihräucherungen nicht hinausgekommen, wi z. B.

Seit Jahrtausenden predigt der Kosmos den Menschengeschlechtern

Aber si lernen ihn erst, seit er gedrukkt wird, ferstehen!

Nicht an Augen felt’ es dem Kosmos, es felte

Nur den Augen bis jezt, Darwin, Dein Kosmischer Blikk!

Als sich schwindelnd in Wolken der menschliche Stammbaum ferlor,

Knüpfte bescheiden im Meer, Häckel, der Taucher, ihn an.

Es stet a pp ||

Ich muss mich natürlich nun eventuell zur teilweisen Benuzung diser Proben meiner Absichten und Wünsche entschließen. Aber auch quantitatif genügen si noch nicht. Was ligt da näher alsb dass ich mich an unsren filgelibten, nach Inhalt und Form gleicherweise unerreichten Herrn und Meister mit der Bitte wende, irgend einen monistischen Saz, Anschauung oder Gesez in einer hübschen Fassung, als sie unsere Weisen gewöhnlich zur Schau zu tragen pflegen, für jenes steinerne Album zur Darstellung zu bringen!! Das wäre mein Anligen!

Außerdem gestatte ich mir nur noch die Fersuchung zu widerholen, dass ich mich – mögen Si meine obige Bitte berükksichtigen oder mich damit abfallen lassen – jedenfalls recht außerordentlich freuen würde, wollten Si auf einem Ausflug an unseren so ser besungenen Strom (dessen Uferprodukten man fon Tag zu Tag leider mer den Einfluß der betreffenden Lider-Meeres anmerkt) ein par Tage in der Villa Kosmos halt machen! Unsere noch nicht allzuarg von Kultur und „Kunscht“ belekkte Umgebung würde Inen gewis auf einige Zeit in mer als nur einer Hisicht ein „positifes Lustgefül“ || des in „Künstlerischer Anschauung“ „positif befridigten Willens“ gewären.

Gestatten Si, ferertester Herr auch fernerhin mich nennen zu dürfen in ausgezeichneter Hochachtung

Ir

ganzergebener

Karl Alberts

a gestr.: geschriben; b eingef.: als

Brief Metadaten

ID
8940
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
14.05.1879
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 21,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8940
Zitiervorlage
Alberts, Karl an Haeckel, Ernst; Oberwesel; 14.05.1879; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8940