Albers, Paul

Paul Albers an Ernst Haeckel, Ober-Markowitz, August 1904

Schloss Ober-Marklowitz Oberschlesien

im August 1904

Euer Hochwohlgeboren!

Welchen Dank kann ein einfacher Mensch dem großen Forscher für den Genuß sagen, den ihm das Studium der „Welträthsel“ bereitet hat? Keinen, da der Forscher den Dank derer, die er aufklärte, von vornherein in sich trägt. Trotzdem wage ich es, der ich im ehrlichen Streben nach Wahrheit mich durch den beständigen Verkehr mit der Natur von den drückenden Fesseln einer ultramontanen Weltauffassung langsam befreit habe. Was ich still und dunkel in mir heranreifen fühlte, ist mir mit klaren Worten in dem Buche gesagt worden. Schweres Menschenleid, wie vielleicht nicht bald ein Anderer, hab ich erlitten; anders trage ich es jetzt, nachdem ich mich zu einer reineren Erkenntniß hindurchgearbeitet habe. Gestatten Sie mir, daß ich diese Erkenntniß in nachstehenden Zeilen zum Ausdruck bringe:

Weltenseele

(dem großen Meister Ernst Haeckel aus Dankbarkeit gewidmet)

O klag nicht, daß Dein Ich vergeht;

denn jene Kraft, die es bewegte,

lebt in der Menschheit und besteht,

wenn man Dich längst zur Ruhe legte –

Sie lebte vor Dir ewige Zeit

und ewig wird sie nach Dir leben;

Die Form nur ist dem Tod geweiht,

ein ständig Werden und Entschweben. ||

O groll dem Tod nicht, denn er ist

nur Deine eignen Ichs Verneinung;

unsterblich ist die Welt – es fließt

vorüber nur des Tags Erscheinung…

und laß sie fließen! ewig schafft

und regt Natur die Schöpferhände,

denn sie ist Stoff ..., denn sie ist Kraft

und kennt nicht Raum, nicht Zeit, noch Ende –

Du aber freu Dich, daß Dein Weh

des Todes wilde Hand vernichtet

und lächle, wenn auf Wolkenhöh

der Wahn ein Jenseits sich erdichtet ...

Paul Albers

Schriftsteller.

(Rechtsanwalt u. Notar.)

„Materie und Energie“

lächelt über die Philosophie:

sie humpelt herum auf Hypothesen,

wie die Blocksberghexe auf ihrem Besen.

Ob’s Individuum

auch untergeht,

nichts liegt daran, wenn nur

die species fortbesteht.

Deckt’s Grab mir auf – will schlafen gehn,

will weder Hölle, noch Himmel sehn;

denn mit den Englein in Ewigkeit singen,

könnt’ mich um den Verstand noch bringen.

Paul Albers

 

Briefdaten

Verfasser
Empfänger
Datierung
??.08.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8912
ID
8912