Eduard Aigner an Ernst Haeckel, München, 9. Dezember 1907
München, den 9. Dezember 1907
Hochverehrter Herr Professor!
Beiliegenda sende ich Ihnen b den Aufruf des Münchner Kartells. Vielleicht übt er auf Sie die Wirkung aus, die wir hier überall zu verzeichnen haben, die einer Neubelebung unserer Sache. Ein Beispiel: In der Woche, in der die hiesige Ortsgruppe sich offiziell dem Kartell anschloss, erhielt ich aus Mitgliederkreisen 1300 Mk. mit der ausdrücklichen Bestimmung für das Kartell. Diese materielle Erfolg wird von dem moralischen noch übertroffen, man war hier müde der unfruchtbaren Weltanschauungsdebatten, denen vor allem jede werbende Kraft fehlt und ich glaube voraussagen zu können, dass man anderen Orts auch noch zu dieser Erfahrung kommen wird. In einer Mitgliederversammlung erklärte ein sonst eifriger Verfechter unserer Sache z.B. dass nicht der Monismus, sondern der Pluralismus das Richtige sei, man konnte nur den Kopf schütteln und diese ewige Meinungsverschiedenheit bedauern. So haben wir uns entschlossen dem Pschomonismus, Materialismus, kurz allen Richtungen des Monismus ungezwungenes Dasein bei uns zu gewähren und jeden, der eine Richtung des Monismus bekämpft oder negiert selbst zu bekämpfen. Der Begriff Monismus soll dabei im weitesten Sinne Platz greifen.
Ich weiss nicht, wie Sie diese meine Auffassung berührt, hochverehrter Herr Professor, aber den Erfolg haben wir zunächst für uns.
Die Organisation des bayerischen Landesverbandes schreitet prächtig vorwärts, 10000 Flugschriften, die mir ein Mitglied gratis übermittelte liegen versandtbereit, kurz alles scheint im besten Werden.
So schliesse ich denn mit bestem Gruss
Ihr
ergebenster, arbeitsfreudiger
Dr. Aigner.
a gestr.: Mit gleicher Post; eingef.: Beiliegend; b gestr.: als Drucksache