Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 12. Oktober 1898
Rechtenfleth
d. 12. Dctbr 98
Herzlieber Haeckel.
Ich war vor Kurzem auf dem Wege zu Dir und sogar bereits auf letzter Strecke dazu, nämlich schon in Weimar, doch es hat leider nicht sollen sein. Als ich von dort aus nach Dir anfragte, ob ich gelegen käme, warst Du zu fernerer Kur in Baden-Baden, Deine arme liebe Frau lag leidend im Bette und Dein Walter, den ich auch so namenlos gern gesprochen hätte, stand, wie er schieb, gerade mit gepacktem Reisekoffera in Begriff nach München aufzubrechen. So wars vergebens noch einen Schritt zu thun oder noch eine Minute zu warten. So reisete ich rasch wieder heimwärts, namentlich, daß Walter, b den ich || lieber habe als er ahnt, c nicht einmal ein paar Stunden länger in Jena bleiben konnted. Wie mir das weh that, glaubst Du gar nicht. ‒
Aber auch mit Dir hatte ich in einer Sache zu sprechen, die mir wahrlich am Herzen liegt, ob es auch nicht die meine ist. ‒
Ein junger Bremer, der in kaufmännischen Geschäften längere Jahre in Ostindien (Kalkutta) lebte, auch in Italien und Aegypten sich aufhielt, und fortwährend mit wahrer Begeisterung dem Studium verschiedner naturwissenschaftlicher Zweige oblag, vor Allem dabei durch Deine morphologischen Untersuchungen angeregt hat nunmehr beschlossen, sich
mit seiner ganzen Kraft und unter Deiner Leitung denselben zu widmen, ja wahrhaft mit Leib und Seele hinzugeben. Und mich bittet er inständig ein angelegentlich und freundlich Wort für ihn bei Dir einzulegen, daß Du ihm bei seinem eifrigen Streben hülfreich zu Hand gehst. Worin solches bestehen muß, || weiß ich freilich eben so wenig, wie mir klar ist, wie tief eigentlich das Gebiet seines Forschens und Wissens reicht, da aber des jungen Reepens geistvolle Mutter einem hochstehenden e oldenburger Hause angehört dem ich die herrlichste Gastfreundschaft verdanke und noch fortwährend mit ihm in herzlicher Beziehung stehe, so wirst Du es natürlich finden, wenn ich mein Anliegen an Dich mit den innigsten Worten
begleiten möchte, deren mein Herz fähig ist. Mit Ende dieses Monats denk ich wird wohl Hugo Reepen bei Dir antreten und Dir meine Grüße überbringen und sicherlich wird Dir der wackre junge Mann gefallen, daß Du ihn freundlich empfangen wirst weil er von Deinem alten treuen Hermann Allmers kommt, deßen bin ich überzeugt.
Von meiner Reise, welche auf Hin oder Herweg den alten Brocken, Kyffhäuser sammt Denkmal und neuentdeckter Höhle berührte so wie über Gotha und Erfurt gingf und die beiden alten kleinen || aber in baulicher Beziehung sehr interessanten Städtchen Langensalza und Mühlhausen, ist für Dich nicht Viel zu berichten obwohl sie vom herrlichsten Wetter begleitet war.
Unterwegs vernahm ich erst Deine Ernennung zum Ehrendoktor der Universität Oxford, was Du schon längst verdient hättest. Auch mir ist eine besondere Ehre zu Theil geworden. Denke Dir der Kaiser hat g sich bewogen gefühlt mir einen Orden zu verleihen. Wenn ich nur erst ergründet habe warum bekomme ich vielleicht zur Belohnung noch einen! Es ist der Kronenorden dritter Güte, da er vielleicht weiß, daß ich die dritte Classe vor Allem liebe.
Interessanteres weiß ich Dir nicht zu berichten, so ists am Vernünftigsten zu schließen. Grüße mir die lieben Deinen aufs Herzlichste und behalt ferner in treuem Gedächtniß
Deinen getreuen
H. Allmers ||
[Nachschrift:]
Lieber Haeckel
Hier zur Büste des Eros, die jüngst versprochenen Verse, die in voriger Nacht mir leis’ die Muse ins Ohr sang. Freilich schickeh ich sie Dir in primitivester Fassung, herrlich mögest Du nun ausbilden, was roh i Dir gesandt. ‒
„Eros heilige Macht, wohl hätte sie nimmer vereint Euch
Wenn nichtj Freundschaft k zuvor hold erschloß ihm die Bahn.
Drum des Herrlichen Bild heut dargebracht Euch durch diese
Schmück Euer künftiges Heiml und weihe das Haus Euchm zum Tempel
Welchen die Liebe durchsonnt, welchen die Freundschaft besucht.“
a eingef.: koffer; b gestr.: für; c gestr.: konnte; d eingef.: konnte; e gestr.: Ha; f eingef.: ging; g gestr.: mir; h gestr.: send; eingef.: schicke; i gestr.: ich; j eingef.: nicht; k gestr.: nicht; l gestr.: Haus; eingef.: Heim; m gestr.: Tem; eingef.: Euch