Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 3. Februar 1893

Rechtenfleth

d. 3 Fbr 93

Herzlieber Häckel.

Zuerst innigen Dank für die Erfüllung meines Wunsches in Betreff meines jungen lieben und famosen Wahlneffen Dr. Theodor Siebs, dessen Schwester mit dem reichen Baron Cordova bei Caltanisetta vermählt ist, der aber als Parlamentsmitglied einen großen Theil des Jahrs in Rom lebt. Mir ists nun ein Leichtes Dir durch ihn so wie auch direct eine Empfehlung für ihn zu senden wenn Du sie wünschest, denn mit Siebs’ Schwester bin ich schon von ihrer Vaterstadt Bremen her bekannt. Jetzt aber werden Beide wohl in Rom sein.

Nun aber laß mich Euch aus tiefstem Herzensgrunde meinen besten Reisesegen geben so wie die Versicherung, daß icha oft im Geiste Euch begleiten werde und mich jetzt schon auf die Stunde unsres Wiedersehens unsäglich freue und nicht minder auf den ersten Einblick in || Walters Studienmappe und Skizzenbuch. Welch einem Frühling gehst Du entgegen, welchen Tagen mit Weib und Kind in so herrlicher Natur bald Deinen Studien b lebend, bald wieder mit ihnen in der Euch umgebenden Schönheitswelt schwelgend. Könnte ich doch ein Stück so beneidenswerthen Erdendaseins mit Euch genießen Ihr theuren Lieben. Überhaupt welch ein Loos ward Dir im Leben zu Theil, Du Glückseliger!

Messina! Wie farbig und lebensvoll steht sein Bild noch heute vor meiner Seele. Du weißt ja, dort fand die unvergeßliche Lebensperiode, welche uns für alle Zeit aneinander schloß ihren Abschluß. Bis vor zwei Jahren schmückte die Veranda vor meinem Antikensaal ein mir so liebes und werthes Andenken daran bis es zu meinem Schmerze durch unglücklichen Zufall seinen || Untergang finden mußte. Vielleicht weißt Du noch daßc wir es kurz vor unsrer Trennung d gemeinsam kauften. Ich meine die beiden völlig antik geformten e amphorenartigen Henkelkrüge von röthlichem Töpferthon die uns durch ihre schöne Form so reizten. Du weißt nicht wie lieb sie mir waren so äußerst gering auch ihr Geldwerth gewesen, gehörten sie doch auf dem Markt dort zur ordinärsten Töpferwaare.

Nun könntest Du mir einen wahren Herzensdienst thun, nämlich mir wieder auf dortigem Markte so ein paar Amphoren kaufen falls dieselben noch geformt werden. Mit Bremen steht Messina durch den Apfelsinenhandel in lebendigem Verkehr und ein dortiger Spediteur kann die Kiste nurf mit Frachtnachnahme an sein Bremer Contor adressiren. Zur Vermeidung eines Mißverständnisses g scizzire ich Dir hieneben flüchtig die Form des Gefäßes. [Bleistiftskizze Amphore] Einige waren auch weniger schlank. Mit einem Strauß geschmückt gewähren solche Krüge den reizvollsten Anblick. Du kannst auch 4 Stück bestellen. Das Stück pflegt kaum ein paar Mark zu kosten. Höhe = 40 cm. Sieh namentlich auf angenehmen, h warmen Ton. ||

Auch meine Lectüre führt mich in Einem fort mit der Seele ins gelobte Land. Hases Ideale und Irrthümer, Ludwig Richters Lebenserinnerungen und Prellers Leben von Otto Roquette. Das Schönste in Allem ist für mich die Schilderungen [!] des Aufenthalts in Italien. Und doch, wie armselig werden einst dem Leser diese mich so fesselnden Biographien erscheinen, wenn er (in ferner Zukunft natürlich) erst das überreiche Buch Deines Lebensganges dagegen halten kann. Mag denn auch diese Italienfahrt dasselbe wieder um manch herrlich Erinnerungsblatt bereichern. ‒

Ich werde diesen Sommer meine liebe grüne Marschenheimat (ein paar kurze Ausflüge abgerechnet) wohl kaum verlassen, manchen lieben Menschen aber hoffentlich bei mir haben. Wärst doch auch Du noch einmal darunter.

Ein echtes Heimatlied, lege ich für Dich ein, das ich auch bereits mit einer volksthümlichen Weise versehen habe, die hier überall mit einer Freude begrüßt wird, daß ich ganz glücklich darüber bin. Wohl mein Schwanenlied. ‒

Nochmals denn Dir und Deinen Lieben tausend Glück und Segenswünsche mit auf den Weg, doch nach wie vor, bleib was Du bist

Deinem treuen Allmers

a eingef.: ich; b gestr.: bald; c gestr.: als; eingef.: daß; d gestr.: kauf; e gestr.: Amp; f gestr.: z; eingef.: nur; g gestr.: sei; h gestr.: ro

Brief Metadaten

ID
8716
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
03.02.1893
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,8 x 21,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8716
Zitiervorlage
Allmers, Hermann an Haeckel, Ernst; Rechtenfleth (Weser); 03.02.1893; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8716