Martha Arp an Ernst Haeckel, Weimar, 7. Juli 1911

Weimar 7. Juli 1911.

Marienstr. 14II

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Trotzdem ich eine begeisterte Anhängerin der Häckelschen Lehre bin (soweit mein Laienverstand diese überhaupt fassen kann!) würde ich es nicht wagen, Ihnen zu schreiben! Ich thue es jedoch im Vertrauen auf die herzliche Freundschaft, die meinen Mann u. mich mit den „jüngeren Häckels“ in München verbindet! –

Leider sind die Armen ja durch || den Tod ihres kleinen Töchterchens in tiefe Trauer versetzt! Auch Ihnen, hochverehrter Herr Geheimrat, möchte ich bei dieser Gelegenheit unsere innige Teilnahme ausdrücken!

Der Unfall, den Sie vor einige Zeit persönlich erlitten, hat uns gleichfalls tief bewegt, Gottlob, daß die Sache noch so abgelaufen! Daß Sie der Welt erhalten blieben! Soll man weinen oder lachen über diese kleinlichen erbärmlichen Seelen, die den Unfall als eine Strafe des Himmels auffassen? Kleinlich und erbärmlich wie sie selbst || sind, ist auch ihr Gott, der rachsüchtig mit körperlichen Leiden straft! Und dazu einen Mann, der zeitlebens für das Höchste, die Menschheit, gekämpft und gestrebt hat! Ich meine, wer so hoch wie Sie über solchem Gekläff steht, hat für dergleichen nur ein Lächeln des Mitleids! –

Sie wissen ja gar nicht, was wir Ihnen alles verdanken! Die edelsten, reinsten Genüsse verdanke ich Ihren populären Werken! Ein Buch von oder über „Häckel“ ungestört genießen können, ist für mich das Höchste. || Nicht Kirche, nicht Glauben haben je vermocht, das harmonische Gleichgewicht der Seele herzustellen, wie Ihre wunderbaren Lehren vom Zusammenhang aller Dinge dem „Sicheinsfühlen“ mit der Natur! – Hochverehrter Herr Professor, verzeihen Sie gütigst, daß ich Ihnen sozusagen etwas „vorschwärme“. Es war nicht Zweck meines Schreibens! Vielmehr wollte ich Sie um eine Gefälligkeit bitten.

Ein Bekannter, Amerikaner, der socialökonomischer Studien halber sich einige Zeit hier aufhält, hat den glühenden Wunsch, Sie einmal sehen zu können! – Aus seiner beifolgenden Karte werden Sie || ersehen, was der Herr ist, treibt etc. – Er hat auf mich seine ganze Hoffnung gesetzt, seinen Wunsch erfüllt zu sehen! Und läßt durch mich anfragen, ob Sie ihm wohl gestatten würden, Ihnen einen Besuch zu machen und wann es wohl sein könnte?

Eine Postkarte mit „Nein“ oder „Ja“ würde ihm genügen! –

Mit dem Wunsch, daß diese Zeilen Sie bei guter Gesundheit antreffen, daß Sie dieselben freundlich aufnehmen, verbleibe ich

Ihre

Sie hochverehrende

M. Arp.

Brief Metadaten

ID
8332
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutschland
Datierung
07.07.1911
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
5
Umfang Blätter
3
Format
13,3 x 17,6 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8332
Zitiervorlage
Arp, Martha an Haeckel, Ernst; Weimar; 07.07.1911; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8332