Edmund von Bartels an Ernst Haeckel, Messina, 11. Mai 1861

Messina den 11ten Mai 1861

Gutes, altes Haus!

Ich hoffe, Sie haben meine Antwort auf Ihren Brief seiner Zeit richtig erhalten und ich habe nicht nöthig das zu wiederholen, was ich Ihnen damals geschrieben. Ihr langes Stillschweigen ist mir langweilig und ich hoffe Ihnen durch diese Zeilen eine Antwort abtrotzen zu können. Ich hab’s nöthig, denn ich bin in einer schauerlichen Mißstimmung. Heute erst aus einem Briefe von Keferstein an Peters erfuhr ich, daß Sie in Jena und so beeile ich mich Ihnen dringend anzuempfehlen, sich mit meinem Freund Ernst Naumann schleunigst zu befreunden. Er ist gerade so ein guter Kerl, wie Sie und es wäre mir allzulieb, wenn Sie sich gegenseitig achten und lieben lernten. Ich habe Naumann geschrieben und Sie warm empfohlen. Sie müssen sich kennen lernen, wenn Sie sich nicht schon kennen.

Binz hat sich mit 20 000 Lstrl, wollte sagen mit einem Frl. Schwabe aus Manchester verlobt, die ihm obige Summe gleich mitbringt und wo noch ganz andere Summen nachfolgen werden.

Keferstein schreibt davon, daß wahrscheinlich er und Ehlers sowie ein Gelehrter aus Würzburg und Zürich zum Winter hier erscheinen werden. Ich liebe aufrichtig gesagt Keferstein’s Katzennatur nicht. Er hat sich verlobt mit dem bewußtena Frl. Mit Freuden höre ich, daß Ihr großes Werk im Drucke begriffen ist. Haben Sie mir eine Acanthometra oder eine Polycystinea dedicirt? Keferstein meinte, ich würde ihm etwas provisorisch sammeln. Der Mann wird sich wundern, wenn er sieht, wie ich geworden bin. Ich bin stumpf für alles außer Politik, bald auch für Das, wenn Deutschland sich nicht bald regt. Ich schicke Ihnen einen Aufriß und erlasse Ihnen darüber zu philosophiren, nur so viel, daß ich mit Leib und Seele bei der Expedition sein werde. Ich wünsche mir Veränderung, ich bin dieses Lebens satt! Sono stufob, wie der Italiener sagt. ||

Dem National-Verein bin ich auch beigetreten doch mehr aus guter Laune und Gutmüthigkeit, als von der Überzeugung ausgehend, daß er etwas ausrichten werde. So kommen wir nie vorwärts.

Frau Sarauw kommt erst Anfang Juli zurück und so bin ich denn noch stets in gleicher Mißstimmung.

Wie steht es mit Ihren Heirathsaussichten, was macht Ihre Braut? Antworten Sie mir erst auf diese Fragen und Sie bekommen einen etwas ausführlicheren Brief von mir.

Herzlich grüßend

Ihr alter

Dr Bartels

a korr. aus bewußen; b irrtüml.: stuffo

[Beilage: Edmund von Bartels an Ernst Naumann, Messina, 11. Mai 1861]

Herrn Ernst Naumann

Universitätsorganist

Jena ||

Lieber Ernst!

Ich kann Dir nicht dringend genug den Überbringer dieser Zeilen, den Dr. Ernst Haeckel empfehlen. Er ist lange Zeit mit mir in Messina gewesen und gerade so ein gerades, offenes, gutes deutsches Herz, wie Du.

Ich bedaure nur, daß die Verhältnisse mir nicht gestatten, mit Euch zusammen zu sein, ich glaube, daß ich dann auf meine alten Tage noch einmal gemüthlich werden könnte.

Herzlich grüßend

Dein

Dr Bartels.

Messina 11 May 1861.

[hektographierte Beilage: Edmund von Bartels: An die Deutschen]

An die Deutschen.

Der gegenwärtige Zustand unseres Vaterlandes wird gewiß jedem Patrioten ein Greuel sein und Wenige nur werden verstockt genug sein, sich nicht nach einer Verbesserung derselben zu sehnen. Unsere Machtlosigkeit, nach Innen sowohl, wie nach Außen hat auch gerade ihren Culminationspunct erreicht. In den Cabinetten Schlaffheit und offenbar reactionäre Tendenz und wo der Schein des Liberalismus existirt, da ist er eben nur Schein und leeres Versprechen. Eine Menge kleiner Höfe mit allen ihren diplomatischen Vertretungen saugen das Lebensmark des Volkes aus und bestreben sich, die nationalen und einheitlichen Bewegungen unseres Volkes zu hemmen, ja, mehr als dießa, sie liebäugeln mit Frankreich und drohen mit der Wiederholung eines Rheinbundes.

Im Auslande Heere von Consuln und doch keine Vertretung von irgend nur dem mindesten Einflusse. Die Nation baut Hoffnungen auf Hoffnungen, ohne jemals in seinen heißesten Wünschen erhört zu werden. Bei der Thronbesteigung des preussischen Herrschers und schon vor derselben baute die deutsche Nation auf ihn und seine Regierung, Aller Augen waren auf Preußen gerichtet, ohne daß etwas geschah. Und es wird nichts geschehen, solange nicht das ganze gegenwärtige Regierungssystem umgeworfen wird, wie wir sogleich beweisen werden.

Seit 11 Jahren unterhält Preußen seine Armee auf dem Kriegsfuß, Millionen über Millionen sind dafür verschwendet worden und wenn wir fragen, was dafür ausgerichtet ist, und wo es sich im Auslande seinem Kraftaufwande entsprechend kräftig und energisch gezeigt hat, da müssen wir leider gestehen, daß stets dieselbe Schlaffheit nach Innen wie Außen geherrscht hat. Die Thätigkeit des preußischen Cabinettes ist in den letzten Jahren eine ununterbrochene Kette von Demüthigungen gewesen. So bei Olmütz, so in der Neuenburger Angelegenheit, so in der Schleswig-Holsteinischen Sache. Nach Innen hat es trotz einer dreijährigen fortgesetzten Anstrengung des Hauses der Abgeordneten dennoch nicht vermocht, die Principien der Constitution aufrecht zu erhalten, noch seine Junker zu demüthigen oder seine übermüthige Büreaucratie einzuschüchtern. Die unter Friedrich Wilhelm IV umgesetzten Beamten aus der finstersten Reactionsperiode sind noch zum größten Theil stets am Ruder; die Regierung wagt nichts, sie anzutasten. Das sogenannte liberale Ministerium ist liberal genug, andern liberalen Fortschrittsvölkern für ihre gerechte Politik die Leviten zu lesen und mit einem Despoten, wie Franz II zu liebäugeln und harmoniren.

Wenn wir nun fragen, weßhalb Preußen nicht den Erwartungen Deutschlands entsprochen hat, so ist auf solche Frage die ganz einfache Antwort, weil esb nicht will. Die Regierung glaubt, sie dürfe sich durch die öffentliche Meinung weder truegen noch bestimmen lassen. Die Idee des absoluten Herrschers ist bei Fürst und Regierung noch stets die gleiche, Von Gottes Gnaden hinten, von Gottes Gnaden vorn und Legitimität über alles. Der Spruch Friedrich des Grossen „Der König ist der erste Beamte seines Staates“ ist seinen Nachfolgern noch herzlich fremd geblieben. Sie sind im Grunde noch stets der Ansicht, das Volk sei ihretwegen, nicht sie des Volkes wegen da. Daß sie aber nicht zum Herrschen d.h. zum bloßen Commandiren, sondern bloß zur Hütung und Wahrung der Interessen ihres Volkes da seien, das fällt ihnen im Traume nicht ein. Die Armee ist daher nicht zur Wehr des Landes und seiner Einwohner, d.h. das bewaffnete und streitbare Volk, nein, die Armee ist nach wie vor ein gesondertes Institut zum speciellen Dienste des Monarchen und zur Versorgung unzähliger ignoranter Junker, die an ihr der Liebhaberei am Parade- und Gamaschendienst fröhnen. Alle Augenblicke lesen wir von Zwistigkeiten und Schlägereien zwischen Soldaten und Bürgerlichen. Der Übermuth und die Bevorzugung des Militärs ist allenthalben sichtbar und trotz alledem oder besser gesagt gerade deßhalb würde schwerlich die Armee einem starken äußeren Feinde gegenüber wohl wenig mehr werth sein, als im Jahre der Schlacht bei Jena, wo auch der Hochmuth und das Renommiren der junkerlichen Armee keine Gränzen kannte. Einem jeden vernünftigen Menschen muß dieses Puppenspiel mit den Buntröcken verhaßt sein, das obendrein außer dem vielen baaren Gelde durch das beständige Eingreifen in alle bürgerlichen Verhältniße und die bedeutende Verminderung der Arbeitskraft das beste Mark des Landes aufzehrt, ohne anderes Resultat zu haben, als aus den Landeskindern ebensoviele Knechtsselen und Maschinen zu machen, die auf Befehl möglicherweise ihre eigenen Brüder erschießen würden. Die Armee schwört dem Könige, und hängt, so wie sie jetzt ist an dem Könige. Eine Armee, die sich bloß für dynastische Interessen und auf Cabinettbefehl schlägt, hat noch nie etwas ausgerichtet. Wenn sie sich nicht für ihr Volk und für höhere Interessen schlägt, so ist es traurig mit ihr bestellt. ||

Wo ist aber von der jetzigen Junkerarmee Preußens nationaler Geist zu erwarten. Das Avancement geht zum geringsten Theil nach Verdienst, im Allgemeinen nach Protection und Willkür. Das Verhältniß zwischen Offizier und Gemeinen ist das schroffste und sklavischste, welches man sich denken kann. Der Selbständigkeit der Einzelnen ist gar kein Spielraum gelassen. Die Ignoranz der Offiziere ist z. Th. so groß, daß ich weiß, wie junkerliche Lieutnants ihr Commando von einem Blatte Papier ablesen mußten, ohne dabei einen Blick auf die Mannschaft zu werfen.

Die Geschichte hat uns nur allzu traurige Beispiele und Belege für die Untauglichkeit derartiger Herrn gegeben. Die Armee, welche bei Jena geschlagen wurde kannte eben auch keine nationale Regung und erst als das democratische Element aufkam und die Armee sich mit Bewußtsein für ihre nationale Unabhängigkeit, für ihr Volk kämpfte, lernte sie mit ungeschulter, blutjunger Mannschaft die geschulten und kriegserfahrenen Armeen Napoleon’s zu schlagen.

Zu allen diesen Mängeln kommt noch ein Überfluß an Beamten und eine Frechheit, ein Übermuth derselben, die wie die letzten Enthüllungen gezeigt haben alle Grenzen übersteigen. Die Grundsätze der Constitution werden zum Spotte und die Regierung giebt sich keine allzu große Mühe die Schuldigen zu bestrafen. Ihr System ist vielmehr alle Schäden so viel wie möglich zu verdecken und die Sache stets beim Alten zu lassen. Die Polizei statt der einfachen und ehrenhaften Aufgabe nachzugehen, über die innere Sicherheit der Bürger zu sorgen und so ein wohltätiges Institut zu bilden, ist zum Popanz und Gegenstand des allgemeinen Hasses geworden. Paßplagereien sind noch immer gleich stark, trotz des lobenswerthen Vorangehens der Nachbarländer. In der Verwaltung stets die gleiche Pedanterie und der gleiche Krebsgang. Es giebt keine vollständig freie Presse. Der Armee ist das Lesen und Halten der Volkszeitung und der Publicisten verboten. Wo wir hin sehen, greift die Regierung vermittelst Beamten, Gesetzen und Verboten gängelnd und leitend in öffentliches, wie in privates Leben ein. Überall Gesetz und ewig Schranken! – Daher Unselbständigkeit des Volkes und Erschlaffung, Mangel an Thatkraft, Engherzigkeit und moralische Feigheit, kurz das, was wir Spießbürger- oder Philisterthum nennen. Man möchte gerne andere Zustände haben, man begreift schon die Fäulniß der gegenwärtigen Verhältniße, allein man fürchtet sich vor der Revolution, vor der Republik. Ja, dieses Wort Republik wirkt auf die guten Philister ein wie der leibhaftige Gott sei bei uns. Allein, woran liegt es denn, daß die Leute sich so sehr vor diesen Dingen entsetzen? Nun, eben ganz einfach an ihrer eigenen Engherzigkeit und moralischen Feigheit, eben daran, daß sie ganz und gar alles Vertrauen zu sich selbst verloren haben. Sie scheuen sich vor der Handlung und schrecken zurück von der Theilnahme an der Bewegung, sie fürchten den Pöbel. Nirgends aber, glaube man mir, wird es dem Pöbel gelingen, die Oberhand zu gewinnen, wo der Bürgerstand sich nicht selbst verloren gliebt. Wir haben das überall gesehen. Deßhalb gerade bethätigen sich der bessere Bürgerstand, der wahre Patriot an diesem Unternehmen, damit nicht am Ende doch ein Pöbelaufruhr ausbreche, dem einzelne Fanatiker oder Speculanten mit nicht allzugroßer Mühe bei gegenwärtiger Lage hervorbringen könnten. Ein Jeder schließe sich der Bewegung mit Bewußtsein und Aufopferung an, und nichts wird zu befürchten sein.

Die Oben geschilderten Zustände sind nun Krebsschäden gegen die keine Medicin, sondern bloß das Messer Hülfe gewährt, das sind sociale und nicht rein politische Pestbeulen, die nur durch sociale Bewegungen geheilt werden können. Schafft Adel, Büreaucratie und Pfaffengewalt ab, gebt dem Volke sein Selbstbewußtsein und seine Unabhängigkeit wieder, duldet nicht länger Privilegien, Gegensatz zwischen Volk und Heer, schlagt die bevorzugten Stände zu Boden und vertraut vor allem nur eurer eigener Kraft, so läßt sich etwas von der politischen Entwicklung Deutschlands hoffen.

Die traurige Thätigkeit Preußens in der national-deutschen Bewegung ist wohl Jedem bekannt. Große Versprechungen, noch größere Hoffnungen aber am allergrößten die Täuschungen. Statt Deutschland zu centralisiren, werden noch oben in den Kauf die verschiedenen kleinen Regierungen zu stärken gesucht. Die Politik gegenüber Italien kann nicht kläglicher sein, als wie sie Preußen noch alle Tage fortspielt. Die Afferei der Loreley, die neue Reacreditierung des Grafen Perponcher als Gesandter beim Tyrannen Franz II, die Sendung des Transportdampfers Ida, um dem in Gaeta eingeschlossenen Despoten Küchendienste zu leisten, die berechnete Gardinenpredigt des Herrn Schleinitz an Cavour, die in der schleswig-holsteinischen Sache verfolgte Politik, das sind alles höchst bezeichnende Sachen. Ich habe mich so lange bei den preußischen Angelegenheiten aufgehalten, weil einerseits Preußen noch einer der freisten deutschen Staaten sein soll und deßhalb noch eine sehr große Parthei aus diesem Grunde auf dasselbe seine Hoffnungen setzt, anderseits, weil es mir ganz besonders darum zu thun war, zu zeigen, wie durchaus nothwendig eine sociale Umwälzung sei, um politisch nur einen Schritt weiter zu kommen. Die übrigen Staaten Deutschlands sind || nun übrigens kein Haarbreit besser darin mit sehr wenigen Ausnahmen. Wem ist nicht die Wirthschaft in Hannover, den beiden Hessen, Meklemburg und nun gar in Österreich zuwider. In Meklemburg wird das Land nun gar in der brutalsten Weise, geistig und materiell einem ignoranten, dummstolzen Adel geopfert. Leibeigenschaft, obgleich dem Buchstaben nach aufgehoben existiert factisch noch immer fort. Die Mittelstaaten, die Trias, kommen mit ihren Rheinbundideen stets offen an den Tag. Die Herren Dalwigk und Borries haben sich schon verrathen. Die rührende Theilnahme der deutschen Regierungskreise für den armen gefallenen Unschuldigen eines Franz II und Pius IX passen zu unsern Einheitsbestrebungen wie eine Faust auf’s Auge. Die Nichtanerkennung des neuen Königsreiches Italiens, das alles lehrt deutlich, wie viel wir von unsren Herren zu erwarten haben.

In der letzten Zeit ist nun freilich schon Manches versucht worden, um den deutschen Nationalgeist zu erringen und um das große Werk der Einigung Deutschlands anzubahnen sowohl durch die Kammern, als auch durch den National-Verein. Ein solches Bestreben ist an und für sich gewiß nur lobenswerth, allein fruchtlos. Wo das Handeln fehlt, richtigen wir nichts aus. Hilf Dir selbst, so wird Gott Dir helfen! Vom Discutiren und Schwatzen haben wir nachgerade genug gesehen, die gesetzlichen Mittel sind von allen Richtungen her erschöpft worden ohne Resultat, jetzt heißt es Handeln. Mit Gewalt müssen wir das nehmen, was uns gehört, unsere Freiheit unsere Nationalität. Man träume nur nicht, daß die 36 Fürsten gutwillig sich den Interessen des deutschen Volkes anbequemen und auf Aufforderungen der Kammern ihre Krone niederlegen werden. Ein einiges Deutschland mit 36 Fürsten ist aber ein Blödsinn. Deßhalb durchhauen wir den Knoten und vereinigen wir uns Alle zum großen Werke der Erhebung und Befreiung Deutschlands. Nur so kann der schädliche Dualismus zwischen Preußen und Österreich gebrochen, nur so das deutsche Volk vom drückenden Alpe des Knechtsstammes und der Unterwürfigkeit befreit werden, der ihn so lange Jahre beklemmt hatte. Alle unsere Nachbarn, Ungarn, Polen, Italiener, Czechen und Slaven, alle, alle handeln und zeigen die Zähne, wo man sie knechten will, nur wir Deutschen lassen uns ruhig das Fell über die Ohren ziehen und philosophiren statt zu den Waffen zu greifen. So werden wir zum Spotte und Gelächter der ganzen bewohnten Erde. Tilgen wir diese Schmach und zeigen wir, daß auch wir etwas leisten können!

Ich komme jetzt zum eigentlichen Zwecke dieser Zeilen.

Es hat sich in den letzten Monaten eine Anzahl von energischen und patriotischen deutschen Männern gefunden, die unter dem Namen „Deutscher Volksbund“ die Einigung und Freiheit Deutschlands auf dem einzig möglichen Wege der Gewalt herzustellen strebt. Schon ist die Theilnahme für diesen Bund groß, allein bei der Schwierigkeit mit welcher wir namentlich gegen den Philistergeist und das Spießbürgerthum zu kämpfen haben, ist es unsere Pflicht, denselben noch stetig zu erweitern. Es handelt sich darum Sammlungen an Geld und Waffen, Wehrmannschaft (aber nur Leute von Muth, Character und Gesinnung und Hingabe für unsere Sache) zu veranstalten. Ein jedes Mitglied des Vereins kann sich dann zum Haupt und Mittelpunct eines neuen Filialvereines machen, wie es der beifolgende kurze Organisationsplan angiebt. Die gesammelten Gelder bleiben in den Händen des betreffenden Ausschusses bis die Zeit des Handeln gekommen ist. Und so frisch auf an’s Werk mit Muth und Ausdauer, Vorwärts! sei unser Feldgeschrei, Deutschland unser Losungswort!

Mit brüderlichem Gruße und Handschlag

Der Filial-Ausschuß des deutsche Volksbundes in Messina

15. Juni 1861. ||

Organisation der Partei der That.

§.1. Der „deutsche Volksbund“ hat zum Zweck, die Herstellung eines einigen und freien Deutschlands auf dem einzig möglichen Wege der Gewalt zu erstreben.

§.2. Die Mitglieder zerfallen im Combattenten oder Wehrmänner, und Nicht-Combattenten oder Bürgermitglieder. Für Erstere bestehen noch besondere Reglements.

§.3. Der Bund wird geleitet von einem Hauptvorstand, der seine nähere Organisation selbst bestimmt.

§.4. Alle Mitglieder des Bundes wirken, Jeder nach seinen Kräften, für den gemeinsamen Zweck. Dies geschieht hauptsächlich durch Ausbreitung und Vergrösserung des Bundes, Agitation in anderen Vereinen, Einwirkung in der u. auf die Presse, Sammlung von Geld, Waffen u.a. Gegenständen.

§.5. Jeder patriotische Deutsche wird ersucht, in seinem Kreise eine Anzahl Gleichgesinnter zu einem Filial-Verein, „Volksbunds-Gemeinde“, zusammen zu bringen. Ist diese constituirt, so wird der Hauptvorstand unter Angabe einer bestimmten Adresse davon benachrichtigt.

§.6. Von allen den Bund betreffenden Angelegenheiten ist unberufenen oder nicht zuverlässigen Leuten gegenüber Verschwiegenheit zu beobachten. Sonstige nähere Instructionen werden vom Hauptvorstand ausgehen.

§.7. Die Wehrmänner allein, nicht aber die Bürgermitglieder sind gehalten, Kriegsdienste zu thun.

§.8. Die Mitglieder einer Volksbundsgemeinde ernennen unter sich einen Vorstand von 1 Präsidenten, 1 Cassier und 2 Beiräthen. Der Cassier empfängt und verzeichnet alle Beiträge, und liefert, auf Verlangen des Hauptvorstandes, seiner Zeit demselben die Beiträge, ganz oder theilweise, aus.

§.9. Beim Eintritt in den Bund zeichnet jedes Bürgermitglied, ein für alle Mal, eine bestimmte Summe, deren Höhe von ihm abhängt, dann aber verpflichtet er sich zu einem regelmässigen monathlichen Betrag, dessen Minimum vom Filial-Vorstand fixirt werden kann.

§.10. Jedes Mitglied wird es sich angelegen sein lassen, bei solchen Freigesinnten, die, ohne dem Bunde beizutreten, für seinen Zweck beisteuern wollen, deren Beiträge einzusammeln, u. dem Filial-, respect. dem Hauptvorstand gegen Quittung zuzustellen.

§.11. Der Hauptvorstand schickt für alle eingegangenen Gelder Quittungen zurück.

§.12. Der Haupt- oder Central-Bundes-Vorstand behält sich im Allgemeinen die Agitation durch die Presse, die Angelegenheiten mit fremden und Filial-Vereinen, das Aussenden von Comissären, endlich die militärische Ausrüstung u. Organisation vor.

§.13. Die Filial-Vereine berichten dem Vorstand über Zahl der Mitglieder, Bestand der Casse, etwaigen Vorrath an Waffen et ct, sowie über andere, in einer besonderen Instruction näher verzeichnete Puncte.

§.14. Alle unnöthigen Schreibereien, Nennen von Namen, kurz Alles was, ohne dem Bunde zu nützen, Einzelne compromittiren könnte, ist streng verboten.

§.15. Der „deutsche Volksbund“ zählt auf die Thatkraft, den Muth, die Ehre und Vaterlandsliebe seiner Mitglieder und der ganzen Nation. Der Hauptvorstand allein hat über den geeigneten Augenblick zum Losschlagen zu entscheiden.

Der Hauptvorstand.

a eingef.: dieß; b korr. aus: sie

[Beilage Flugblatt: Joh. Ph. Becker: An die Deutschen!]

An die Deutschen!

Die Deutschen und Italiener waren Schicksalsbrüder von jeher! Von jeher war die Quelle ihres Unglücks, woraus sich das schleichende Gift ihrer nationalen und politischen Bewegung schlürften, ein und dieselbe. Vornehmlich waren es diese beiden Nationen, welche bei der Vermählung des germanischen Cäsarismus mit dem römischen Papstthum die Aussteuer und Apanage, die Hochzeitsgeschenke und Opferlämmer sein mußten.

Der Glanz und die Herrlichkeit, womit sich das weltliche und geistige Oberhaupt der Christenheit zu gegenseitiger Erhöhung des Ansehens umgeben hatte, war Jahrhunderte hindurch das verderbliche Blendwerk für Italiener wie Deutsche; sie träumten groß und mächtig zu sein, während sie in Wirklichkeit immer kleiner und ohnmächtiger geworden waren. Wo in jenen Zeiten in Deutschland und in Italien sich Großes gestaltete, hieß es nicht deutsch und nicht italienisch, sondern venetianisch, genuesisch, florentinisch in Italien und der Bund der freien Städte, die Hanseate in Deutschland. Nationalismus war nicht vorhanden. Jede freie Regung des Geistes und Herzens wurde von der vorherrschenden religiösen Zeitrichtung der Kirchengewalt im Keime erstickt. Den Kaisern gehörte die Rolle der Profosen. Ueber jeder nationalen und politischen Bestrebung schwebte das kaiserliche Schwert und das Beil der Henker, zu jedem Blutbade brachten die Päbste, mit kirchlichem Gepränge, ihr frommes Amen. Partikularismus und Eigengewalt sahen sich begünstigt; die Vertheilung der Völker und Länder, wie Heerden und Weiden, ward zur Legitimität, die Unfehlbarkeit und Unverletzlichkeit der Gewaltträger waren geheiligt und das Gottesgnadenthum ward großgezogen vom Lebenssafte der Völker. Geriethen hohe Herren und auch der Kaiser und der Papst durch Eifersucht und Neid in Hader und Streit, so konnten sie nur versöhnt werden durch Ströme von Blut, durch Zerstörung und Vernichtung von Städten und Feldern. Waren aber die Gewaltigen gute Freunde, und sahen sie sich durch die Finger, so feierten Unterdrückung und Verdammung Ihre Blüthezeit. „Die Ruhe und Ordnung“ war in Gottesnamen wieder hergestellt und in allen christlichen Tempeln erschallten laut die »Te deum laudamus« empor zum Himmel. Und stets erhielten die Deutschen und die Italiener diese Seligkeiten aus der ersten Hand.

Blicke man nur auf die zahllosen Heerzüge nach Italien, schaue man nur auf den dreißigjährigen Krieg in Deutschland, denke man dabei an die Ruhe in den Gräbern, an die Ordnung auf den Ruinen. Die späteren Afterkaiser des ehemaligen heiligen römischen Reiches, die österreichischen, die Konkordatskaiser, suchen, mit den wundervollen Segnungen des heiligen Vatikans beladen, noch bis auf den heutigen Tag: die Unmöglichkeit möglich zu machen und die alte Gewaltherrlichkeit aus der Modergruft einer traurigen Vergangenheit herauf zu beschwören. Sollen aber die Völker immer und ewig solchen Wahnwitz büßen und mit Gut und Blut die tolle Zeche bezahlen?

Wo unterdrückte das Kaiserhaus Oesterreich nicht?

Regte sich ein freier Sinn, eine nationale Bestrebung in Italien, in Deutschland, in Ungarn und Polen, oder in dem Lande der Südslaven, so rasselten die Habsburger mit den Ketten, um mit Peitschen und Ruthen, mit Gefängniß und Standrecht, mit Galgen und Rad die Kultur zu pflegen und die Civilisation zu retten.

Ja wohl! unter dem milden Scepter der vaterlichen Regierung des österreichischen Kaiserhauses sind die Deutschen wie Italiener die Leidensgefährten der Ungarn, Polen und Südslaven; – doch Dank dem Geiste der Zeit – jetzt Freunde geworden, um für die Zukunft die aufrichtigsten Bundesgenossen zu werden.

Ein fester Anschluß der Deutschen an die Italiener, eine innige Allianz zwischen Italien und Deutschland ist zur politischen Nothwendigkeit geworden.

Ist das italienische Volk unserm deutschen in einer Frage weit vorausgeeilt und hat es ein Vaterland, was bei uns vorerst noch in patriotischen Herzen und sehnsuchtsvollen Liedern lebt, – bereits errungen, so trägt es immer noch einen festen Keil in seinem Fleische, so lange Habsburg in Venetien die Gewaltherrschaft übt. Wir Deutsche haben aber nicht nur die schöne Pflicht, sondern das tiefe Interesse, diesen tyrannischen Keil mit allen Mitteln ausstoßen zu helfen. Zwar schmollt und liebäugelt auch noch ein neuer Kaiser mit dem Papste in Rom und halten seine Truppen Schloßwache in der Siebenhügelstadt, aber die Logik der Thatsachen wird wohl auch bald die Romantik dieser wunderbarlichen Liebe überwältigen und den Italienern ihr unveräußerliches Rom als Hauptstadt zurückgeben.

Das ist Sache der Italiener und Franzosen. Wir Deutsche haben es hier nur mit dem Kaiserhaus Oesterreich zu thun, ohne uns irgendwie in die innern Angelegenheiten Italiens zu mischen. Natürlich müssen wir mit aller Wachsamkeit die italienische Politik befolgen, um sofort zu sehen, wo irgend eine Gefahr für die Unabhängigkeit Deutschlands daraus erfolgen könnte.

Glücklicher Weise gibt es jetzt nicht mehr viele Deutsche, welche sich durch die Machinationen der Habsburger und ihrer gekauften Lobhudler beirren lassen und glauben können, es wäre der Besitz Oesterreichs von Venetien und sein Festungsviereck eine strategische Nothwendigkeit zur Deckung der Südgrenze Deutschlands. Welcher deutsche Mann von Geist und Gefühl sollte sich nicht empören gegen die Zumuthungen eines solchen Köhlerglaubens, zur Selbstschändung und Ungerechtigkeit gegen Andere.

Wir Deutsche, die wir ein freies einiges Volk werden, ein untheilbares, ungeschmälertes Vaterland erringen wollen, sollten nicht das Gleiche den darum kämpfenden Italiener wünschen, sondern so schwachherzig als heimtückisch die Fremdherrschaft dort verewigt sehen wollen? Wie? eine Nation von 40 Millionen Menschen sollte ihrer Kraft, ihrem Muthe, ihrer Intelligenz das Armuthszeugniß ausstellen, als habe sie ein Stückchen Land Italiens nöthig, um selbst sicher zu sein? Nimmermehr!

Was hieße es auch für Deutschland Venetien der Gewalt der Habsburger zu überlassen? Das hieße die Anmaßung des französischen Kaiserreichs auf das linke Rheinufer, so wie alle Anmaßungen, Eroberungsgelüste und Unterdrückungssysteme rechtfertigen;

Das hieße Italien mit Gewalt in die Arme des kaiserlichen Frankreichs stoßen, um gerade an der Südgrenze jene Gefahr hervorzurufen, welche man durch den österr. Besitz Venetiens verhüten möchte;

Das hieße die Feindschaft aller von Oesterreich beherrschten Völker gegen die deutsche Nation vergrößern und verlängern;

Das hieße den alten Gefahren noch eine neue im Südosten beifügen;

Das hieße, und die heillose Gewaltherrschaft Dänemarks in dem wahrhaft deutsch gesinnten Schleswig-Holstein anerkennen;

Das hieße, und dieß zwar vor Allem, den reaktionärsten Mittelpunkt Europa’s, Oesterreich, selbst erhalten, und die Wiedergeburt Deutschlands unmöglich machen wollen;

Kurz, das hieße: ebenso ungerecht wie dumm sein.

Der Todestag der österr. Herrschaft ist der Geburtstag Deutschlands. Deutschland und Italien werden dann, gestützt auf Polen und Ungarn, Südslaven und Griechen, die Gleichgewichtshalter Europa’s gegen die Anmaßungen des Imperialismus im Osten und im Westen sein. Die orientalische Frage wird dabei ihre natürliche Lösung und England sich befriediget finden.

Es ist kaum mehr zu bezweifeln, daß die Gewaltherrschaft Oesterreichs ihren Kreislauf alsbald vollendet haben wird. Sie kann ihrer ganzen innern Natur nach weder Befähigung noch Heilkraft in sich tragen, die Keime ihres Unterganges zu überwältigen. Sie mußte sich, ihrem verirrten Laufe gemäß, stets mit einem systematisch gegliederten, pedantisch zugestutzen büreaukratischen Heerhaufen in die innerste Lebensthätigkeit ihrer Völker mischen, um an die Stelle des lebendigen Geistes die todte Formel zu setzen, um den werkthätigen Kräften einen brutalen Hemmschuh anzulegen, statt ihnen einen erleuchteten, intellektuellen Sporn zu geben. Wurde aber so die volkswirthschaftliche Thätigkeit völlig gelähmt, die Produktionskraft erdrückt, das Gleichgewicht zwischen der Steuerfähigkeit des Volkes und den wachsenden Staatsbedürfnissen unmöglich gemacht, so mußte die Zerrüttung der innern Autorität und der äußern Machtstellung eine natürliche Folge sein. Wie viel Geist wurde in diesem Lande verschwendet, um Geist zu tödten; welche Kräfte wurden dort vergeudet, um Kräfte zu erdrücken! Ist’s ein Wunder, wenn hier am Ende allezeit Null von Null aufgeht.

Was aber durch Jahrhunderte vernachlässigt oder planmäßig verkehrt angefangen wurde, das läßt sich nicht in kurzer Zeit wieder gut machen, und wo nicht, wie es hier der Fall, zur Heilung von tausend Wunden rasche Hülfe möglich, da kommt Alles zu spät, auch die neuerdings wiederholten allergnädigsten und allerhuldtvollsten Verheißungen, selbst wenn sie aufrichtig gemeint wären.||

Ja wohl! wir haben zwei hohe Kranke in Europa; den einen am Bosporus und den andern an der Donau.

Hoffentlich wird die Brittania bei Oesterreich nicht die ausdauernde Krankenwärterin und barmherzige Schwester machen wollen wie bei der Türke. Rufen wir aber es lebe Deutschland!! es lebe Italien!! so dürfen wir nicht lange fragen, was ist dafür zu thun? Die schönsten Gedanken und die edelsten Gefühle schweben unfruchtbar in der Luft, wenn sie nicht durch die That in Fleisch und Blut übergehen und lebendig werden. Alles will sich realisieren: die Liebe wie der Haß.

Wir kommen jetzt auf ein Unternehmen, welches das Interesse Deutschlands und Italiens identifizirt. Es gilt der Errichtung einer deutschen Legion, sowohl für Italien als für das brave österr. Volk, und gegen die Herrschaft der Habsburger, d.h. so lange Italien nicht die Hülfe des französ. Kaisserreichs in Anspruch nimmt. Diese Hülfe kann aber nur dann unmöglich gemacht werden, wenn Deutschland selbst eine entschiedene Stellung gegen Oesterreich einnimmt. Der Gedanke „eine deutsche Legion“ ist an vielen Orten zugleich aufgetaucht, die politische Wichtigkeit allenthalben anerkannt worden. Während des garibaldischen Feldzuges haben die Deutschen sehr dringend das Bedürfniß gefühlt, in einem ausschließlich deutschen Wehrkörper vereinigt zu sein. Schade, daß nicht einer der zahlreichen deutschen Offiziere dieser Armee die Sache zur Hand nahm, da zur raschen Ausführung alle Mittel geboten waren. Im Oktober verflossenen Jahres reiste der Unterzeichnete in Uebereinstimmung vieler patriotischer Freunde hierher, um dem Befreier beider Sizilien, General Garibaldi, den Vorschlag der Formirung einer deutschen Legion zu machen. Fast um dieselbe Zeit kam auch ein Abgesandter der Deutschen Nordamerika’s, die es schon vorher an reichlichen Geldsendungen nicht fehlen ließen, hier an, um dem General ein deutsches vollständig ausgerüstetes Hülfskorps von 2000 Mann zur Verfügung zu stellen. Garibaldi war sichtbar bewegt über die Opferbereitwilligkeit der Deutschen Europa’s und Amerika’s für die Sache Italiens. Nur erlaubten es ihm nicht die politischen Verhältnisse des Moments, da der Feldzug seinem Ende nahe, sofort von den Anerbietungen Gebrauch zu machen. Er sprach mit vieler Wärme von den Bekanntschaften, die er mit Deutschen namentlich zu Amerika gepflogen, daß er ihren Umgang gerne gesucht und sich immer mit Freude ihrer erinnere. „Haben Sie nur einige Monate Geduld“, wiederholte er öfter, „gegen das Frühjahr werden wir schon wieder organisiren und dann soll es mich um so mehr freuen, ganze Kolonnen Deutscher mit uns marschieren zu sehen, als ich bei diesem Feldzuge wie auch schon früher die Deutschen als sehr gute Soldaten kennen gelernt habe.“

Es ist nun in dieser Sache ein weiterer Schritt geschehen und die Errichtung einer deutschen Legion insofern beschlossen, als sofort alle nöthigen Vorbereitungen der Art getroffen werden sollen, damit, wenn sich die Unterhandlungen der italienischen Regierung mit Oesterreich in Betreff Venetiens zerschlagen und der Krieg unausbleiblich ist, auf den ersten Ruf des Siegers bei Calatasimi die Legion rasch formirt und in’s Feld geführt werden könne.

Sicherlich geschieht die Betheiligung der Deutschen im bevorstehenden Kampfe nicht ohne die bestimmte Zusicherung der Unveränderlichkeit der deutschen Grenzen. Doch muß Deutschland die Hauptgarantie seiner Unverletzlichkeit in seiner eigenen Kraft suchen – sowie für die Ehre und Würde unserer großen Nation die projektirte Legion eine treue Schildwache sein wird.

Da diese Legion ausschließlich durch deutsche Mittel, welche von den Deutschen aller Länder anzuschaffen sind, ausgerüstet werden soll, so ist schon die vorbereitende Organisation ein schönes Stück Arbeit, ein Werk, wozu man die eifrige Mitwirkung aller gutgesinnten deutschen Männer in Anspruch nehmen muß.

Es sollen zu diesem Behufe ungesäumt in Deutschland und in allen Staaten, wo Deutsche niedergelassen sind, Ausschüsse von Vertrauensmännern gebildet werden, um:

1) Auf eine der Lokalität angemessene Weise möglichst große Geldsammlungen zu veranstalten.

2) Listen mit Rubriken für Name, Stand, Alter und Geburtsort. Für Leute, die schon im Kriegsdienste waren, ist noch die Dienstzeit und der Grad beizufügen, sowie die Waffengattung; Listen zu Einschreibungen von Offizieren und Legionären bei dazu gewählten Bürgern aufzulegen. Es ist bei den Wehrmännern nicht bloß auf körperliche Tüchtigkeit und Intelligenz, sondern auch auf Ehrenhaftigkeit und Gesinnung für die Sache selbst zu sehen. Es übernehmen jedoch die respektiven Ausschüsse vorläufig keinerlei Verköstigung, noch irgend Verbindlichkeiten gegenüber der eingschriebenen Mannschaft.

3) Werden alle Ausschüsse mit einem Hauptausschusse, der in der Bildung begriffen und aus populären Namen Deutschlands bestehen wird, in forwährender Verbindung stehen. Dieser Hauptausschuß wird ein umfassendes Programm über die internationale Politik Deutschlands, welche zur Lösung unserer Aufgabe als Richtschnur dienen soll, veröffentlichen.

4) Bleiben die gesammelten Gelder in den Händen der resp. Ausschüsse, bis die Organisation der Legion selbst begonnen wird; nur werden die Ausschüsse von Zeit zu Zeit dem Hauptausschusse Bericht erstatten über den Kassabestand, die Zahl der eingeschriebenen Offiziere und Mannschaften.

5) Werden je nach den Verkehrswegen der verschiedenen Länder Marschrouten gebildet, um die Mannschaften in guter Ordnung nach den Sammelplätzen dirigiren zu können.

Weitere Weisung und Auskunft dürfen die resp. Ausschüsse fortwährend von dem Hauptausschusse erwarten. Es wird überdieß demnächst eine Zeitung „Deutschland und Italien“ gegründet werden, welche diese Sache mit Geist vertreten und mit Kraft und Muth vertheidigen wird. Diese Zeitung soll überdieß zur Beleuchtung der gegenseitigen politischen Aufgaben Deutschlands und Italien wesentlich beitragen.

Welcher deutsche Mann von politischem Blick sieht die Tragweite nicht ein, welche diese Unternehmung in ihrem Schooße birgt, eine Unternehmung, die mindestens eine großartige Demonstration gegen jede Unterdrückung bleibt, die den deutschen Nationalgeist noch in höhrem Maße erweckt und die öffentliche Meinung, diese moderne Staatsgewalt, für die eigene Sache wirksam erstarkt, die das Ansehen unserer Landsleute im Allgemeinen erhöht und namentlich aber den Deutschen in Italien den Aufenthalt verschönert.

Darum ergeht an Euch, Ihr deutschen Landsleute, der erste Ruf; an Euch, die Ihr mit dem italienischen Volke unter dem glänzenden Azur den klassischen Boden bewohnt, auf dem jeder Schritt und Tritt an große weltliche Epochen einer thatenreichen Vergangenheit erinnert; die Ihr mit diesem Volke die gleiche Luft einathmet und die Geschicke des täglichen Lebens theilet, Ihr könnt Euch gewiß nicht erwehren, zu einem Werke die rührige Hand zu bieten, wodurch dieses schöne Land von der Fremdherrschaft völlig befreit werden soll. Sicherlich könnt Ihr Euch auch nicht die vaterländische Freude verssagen, das schwarz-roth-goldene Banner, das Italien nur in den alten Tagen der Unterdrückung gesehen, jetzt auch einmal zur gänzlichen Erlösung eines Brudervolkes durch diese reichen Fluren getragen zu sehen.

Und auch Ihr, freie Söhne des Schweizerlandes, Enkel Tell’s und Winkelried’s! Auch Ihr werdet nicht zögern, Euch mit Eurem frischen und praktischen Sinne, der gewohnten Thatkraft, dem schönen Reigen der Verbrüderung anzuschließen. Ist Euch damit doch die Gelegenheit geboten, die von verirrten Kindern Eures Vaterlandes im Dienste der neapolitanischen und römischen Tyrannei in den Staub getretene Fahne wieder hoch zu halten zu Eurer eigenen Genugtuung und zur Ehre der ganzen Eidgenossenschaft.

Und so laßt uns am Fuße des Vesuvs, wo die ewige Gluth an das unauslöschliche Feuer mahnt, das in Aller Menschenbrust die Liebe zur Freiheit und edlem Streben ernähret; hier, wo Garibaldi sein Befreiungswerk von 1860 vollendete, laßt uns die Bahn brechen zu neuen Errungenschaften!

Verschollen ist das alte Feldgeschrei: „Hie Guelf! Hie Gebelline!“

Brüder hie und Brüder hie! Vorwärts gegen Oesterreich ist jetzt das Feldgeschrei.

Es lebe das freie einheitliche Deutschland! Es lebe das freie einheitliche Italien!

Es lebe die Allianz beider Nationen!

Neapel, den 28. Januar 1861.

Joh. Ph. Becker.

Adresse: Strada Galeazzo Alessi, No. 3, 1° piano, GENOVA.

Brief Metadaten

ID
8114
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Italien
Entstehungsland zeitgenössisch
Königreich Italien
Datierung
11.05.1861
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Format
21,5 x 26,9 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8114
Beilagen
Brief von Bartels an Ernst Naumann; hektographierter Text von Bartels: An die Deutschen; gedruckter Text von Becker an die Deutschen
Zitiervorlage
Bartels, Edmund von an Haeckel, Ernst; Messina; 11.05.1861; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8114