Karl Bauer an Ernst Haeckel, München, 1. November 1908
München. Ungererstr. 8. III. | 1. Nov. 8.
Hochverehrter Herr
Geheimrat!
Es wird noch einige Tage anstehen, bis ich Ihnen neue, „freundlicher“ gestimmte Abzüge von Ihrer Steinzeichnung senden kann. Ich mache gegenwärtig Versuche mit 2 Farben das Bildnis so zu drucken, als ob Lichter mit weisser Kreide auf graues Papier aufgesetzt waeren, genau so, wie ich damals im || Atelier die Zeichnung nach der Natur ausführte. Die Lebendigkeit wird dadurch erhöht, namentlich im Auge. Ich lege Ihnen mit dieser Sendung dann zugleich die Ihnen noch fehlenden Goetheblätter bei.
Zu Ihrem grossen Bildnis mache ich bereits Vorstudien, die 2 Meter hohe Leinwand steht schon im Atelier bereit.
Wollen Sie die Güte haben, mir || bald einmal ein pensionirtes Exemplar Ihrer Sammethüte als Modell zu übersenden, irgendeinen alten Jahrgang, den Sie leicht entbehren koennen. Anbei sende ich die geistvolle Jugend-Photographie mit schoenstem Dank zurück, ich habe sie abgezeichnet. In dem Goethekalender, den ich beilege, wird sie wohl die Besprechung der Goethebildnisse || (letzter Artikel) intressiren, da Bierbaum Dichter & Kunstschreiber zugleich ist, kann man von ihm das richtige Verstaendnis annehmen; jedenfalls schreibt er da eher zu günstig als zu kritisch. Wir freuen uns beide immer wieder aufs neue der schoenen Stunden, die wir durch Ihre liebenswuerdige & bedeutende Gegenwart in Jena verleben durften. Hoffentlich giengen die strengeren Stunden die Ihrer damals warteten, gut vorüber. Mit herzlichen Wünschen für Ihr & Ihrer verehrten Frau Gemahlin Wohlergehen & Grüssen von uns beiden
Ihr ergebener Karl Bauer.a
a Text weiter am rechten Rand von S. 4: Ihr ergebener Karl Bauer.