Beckmann, Otto

Otto Beckmann an Ernst Haeckel, Göttingen, 17. Januar 1859

Göttingen, d. 17. Januar 59.

Mein theurer Freund!

Ich darf Dich unmöglich in jene gährenden italienischen Gegenden reisen lassen, ohne wenigstens neben einem Worte des Abschieds Dir meinen Dank für Deine liebenswürdige Freundlichkeit, mit der Du mich in Berlin umgeben hast, gesagt zu haben. Du wirst vollauf zu thun haben mit allerlei Packereien und nebenbei mag das Herz Dir auch ein wenig schwer werden, da Du von dem Theuersten Deines Herzens scheidest, indess zu viel würde ich den Abschiedsschmerz nicht an mich kommen lassen. Freue Dich mit mir, dass Du noch hinaus kannst und Dich, unbekümmert um den morgenden Tag und um andere Menschen, tummeln im dem freundlichen Lichte italienischer Sonne, in den schönsten Fluren, in den reichsten resp. an Kunstschätzen und Geschichten-Städten – ein freier Mensch, nur Deiner Arbeit und Deiner Freude lebend, mit Leichtigkeit, vielleicht ohne es zu wollen, Erfahrungen sammelnd, wissenschaftlicher, oder mehr socialer oder von sonst welcher Art. Ich will keinen Vergleich zwischen uns anstellen, sonst würde Alles noch viel klarer werden und Deiner Freude kein Ende sein. – Ganz ohne mein Verschulden habe ich mein Schreiben bis auf heute verschoben, doch wirst Du es ja noch bekommen und || die Intensität meines Dankes hat auch nicht gelitten, so dass der Schaden am Ende nicht so gross ist. Dass mir die Tage in Berlin eine sehr liebenswürdige Erinnerung sind, wirst Du nicht bezweifeln, nachdem ich Dir von unserm Nest einige Skizzen habe entwerfen können. Mich haben Arbeit und Allotria ziemlich in Anspruch genommen, wie auch sonst, zudem kommt noch hie und da ein Zweckthee oder der Versuch eines Balls, so dass ich meine Zeit schon zusammenhalten muß, um so mehr als mein alter Cadaver manchmal etwas baufällig zu werden beginnt. Letzteres ist mir gerade keine angenehme Erscheinung, da es meine Arbeitskraft beschränkt, indess ich habe mich schon fügen gelernt. Aus unserer alten Georgia Augusta ist übrigens nicht Besonderes zu vermelden als dass die Saison ihren Anfang genommen und alle leistungsfähigen jungen Männer und Damen sehr entzückt sind; die lachenden Philosophen haben ja auch ihre Beschäftigung dabei und vielleicht auch ich. Eine grauenerregende Entdeckung werde ich nächstens in die Welt setzen, nämlich die von versteinerten Samenfäden – d. h. zu Deutsch eine Concretion aus dem Dactylifera difer. aus den betreffenden Bestien oder besser Zoiden zusammengesetzt. Von unsern gelehrten Dingen wirst Du Dich wohl schon verabschiedet haben, so dass ich nicht mehr den Versuch mache, Dich dahin auf Augenblicke zu entführen. ||

Nun ziehe heiter gen Süden aus diesem nordischen Dreck und freue Dich über alles, was Dir bevorsteht, schreibe nicht zu lange Tagebücher und erübrige so zeitweise von den vielen Gedanken, die über die deutschen Fluren nach Berlin eilen werden, einen kleinen freundlichen für Deinen kleinen Göttinger Freund. Ich unterlasse es nicht, im Gegentheil es ist mir freudiges Bedürfniss, Dich zu bitten, mich Deinen verehrten Eltern in aller Dankbarkeit zu empfehlen, ebenso wage ich es Deiner sehr verehrungswürdigen Braut meine ganze Ergebenheit zu Füssen zu legen.

fair well

Dein Beckmann.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.01.1859
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7831
ID
7831