Beckmann, Otto

Otto Beckmann an Ernst Haeckel, Würzburg, 27. Juli 1858

Würzburg, d. 27. Julius 58.

Mein lieber Freund!

Wenn Du meine Nieren in diesem Augenblick, wo ich mich anschicke, um Dir theils auf Deinen von Glück übersprudelnden Brief zu antworten, theils um Dir von einem allerdings in anderen Regionen liegenden Glücke, das mich betroffen, zu berichten, so würdest Du vielleicht hinter dem dichten Schnurbart einige leise Fältchen aufkeimen sehen, die sich aber sehr bald wieder wie vor einem freundlichen Gedanken – glätten. Eigentlich sollte ich mich heute, wo ich wenigstens das aussprechen soll was ich lange gedacht, mich von meiner liebenswürdigsten Seite zeigen und Dir und Deiner verehrten Braut meine wärmsten Glückwünsche von ganzem Herzen bringen; das soll auch hiermit geschehen und doch kann ich nicht umhin, wenigstens mit einigen leisen Zügen auf einen Gedanken hinzuweisen, der in Deinem Briefe stark hervorleuchtet. Du nimmst mir meine Offenheit nicht übel, darum will ich Dir sogleich gestehen, dass es neben der wirklichen Freundschaft, die mir dieser Brief ebenso sehr und mehr noch zeigt als andere, und die ich ebenso freudig als herzlich anerkenne, einen etwas komischen Eindruck auf mich macht, dass Du bei einem solchen Ereigniss, von dem Du glaubst, es sei etwas leichtsinnig oder was sonst, nach einer Entschuldigung oder Rechtfertigung mir gegenüber suchst, wenn ich mich so ausdrücken soll, so dass sowol Deine liebenswürdige Braut wie sonstige Damen Deiner Bekanntschaft mich für einen eisen- und schuhnägelfressenden Barbaren halten müssen. Als Dein Freund habe ich nichts weiter als mich über Dein Glück zu freuen und das thue ich redlich; dann noch wie ein Regengott nach dem frohen Ereigniss Wolken zusam-|||menzuballen, wäre ein undankbares Geschäft, dem ich mich wenigstens um so weniger unterziehen möchte, als ich die Reize unserer Damenwelt kenne, wenn auch nicht immer vorher und als man schon lange gefabelt hat, dass wie ein grosses Glück, so auch das Sichfinden zweier Herzen über Nacht manchmal geschehe. Ausserdem bin ich auch in der Topographie Deines Herzens vielleicht nicht ganz unbewandert, so dass ich mich nicht mehr wundere, wenn es unter dem liebenswürdigen Einfluss zu einem hellen Brande kommen konnte. Ich glaube fast, Du kennst mich eigentlich noch weniger als Du vielleicht denkst; ob es meine Schuld ist, weiss ich nicht, doch will ich sie gerne auf mich nehmen, da ich allerdings gewiße Gebiete meines Wesens nur mir selbst zugänglich mache und dereinst meiner Frau. Uebrigens ist das wol lange genug, um uns en fait zu machen und Du wirst mich, denk’ ich, ebenso gerne sehen, wenn ich mit freundlichster Miene und warmem Herzen Euch meine herzlichsten Glückwünsche bringe als wenn ich aus dem Hintergrunde des Charakters den polternden Alten spielte. Man soll nie ein Glück, das Einem geboten wird, von sich stossen, wenn man es annehmen kann und wenn nun gar Gott Amor schalkhaft lächelt, so schweigt auch in seliger Bewunderung der greise Mensch, der der Menschen Glück gesehen und wünscht sich wol die schnelle Freudigkeit der Jugend, die dem reizenden Zuge gerne die kalte Ueberlegung opfert. Deiner Entwicklung wird zudem dieses angenehme Band unmöglich schaden, denn mit den Tagen ist es mir nie recht ernsthaft geschienen und bei uns ist noch genug zu thun, ausserdem ist es doch klar, dass 2 Menschen immer mehr Glück haben müssen als Einer, ergo – Trenne Dich also mit Schmerzen auf eine kurze Zeit, fische nach || Leibeskräften in südlich endemischen Gegenden, was Deinem Auge wohlgefällt und es wird Deinem Eifer und Deiner Beobachtung so wenig an Erfolg fehlen als anderen. Ein kleines Beispiel hierzu werde ich Dir sogleich an meiner eigenen Person vorführen, die nämlich, wie Du vielleicht schon erfahren hast, zur Bekleidung der ausserordentlichen Professur für pathologische Anatomie in Göttingen ausersehen ist. Dass mich diese Ernennung sehr freudig berührt hat, kannst Du Dir wol denken und über das grosse Glück, das darin liegt, komme ich schliesslich auch hinweg, wenn ich mir überlege, dass ich es mir ja noch verdienen kann. Eine Zeitlang bin ich natürlich hier der Held des Tages gewesen, um so mehr als man hier selbst von dem Vorschlage meiner Wenigkeit in Göttingen nichts wußte; von allen Seiten sind Glückwünsche geregnet und da habe ich gesehen, wie angenehm es ist, wenn die Leute etwas von Einem halten; besonders hat mich die Theilnahme der Studenten gefreut, die sich zum Theil in einer sehr liebenswürdigen Weise geäussert hat und mir die beruhigende Versicherung zu geben scheint, dass ich doch am Ende etwas genützt habe. Ob ich Deiner freundlichen Einladung nach Berlin zu kommen, jetzt Folge leisten kann, weiss ich in der That noch nicht, da sich wieder unser guter Blasius dazwischen drängt und mir allerdings einige Schwierigkeiten in meiner Reiseroute zu machen bemüht ist. Du wirst bereits wissen, dass er glücklicher Vater ist und er wünscht nun, dass ich glücklicher Gevattera der kleinen Blasia werden soll in der Art, dass ich persönlich erscheine. Nun ist es über Bonn ein heilloser Umweg in meine Heimath, wohin ich endlich einmal gehen muss, über Berlin viel weniger und ich könnte ausserdem noch einige Bücherkäufe machen, aber es könnte auch eine Rheinreise mir nicht schaden und dann ist es in Bonn beim lieben Blasius und seiner kleinen Frau || auch eine so nette Existenz, dass ich wieder nicht weiss was zu thun. Es ist mir einerseits schmerzhaft andererseits aber sehr rührend, dass jetzt von allen Seiten Briefe kommen von alten und jungen Freunden mit der Bitte, sie zu besuchen wenigstens auf eine Woche usw., so dass ich am Ende auf dem direktesten Wege nach Hause eile. Schlau wäre es, wenn Du auf Deiner italienischen Reise mich in Göttingen besuchen wolltest; da ich schon Ende September oder Anfang October dahingehe, so wirst Du mich schon treffen. Uebrigens kann ich in dieser Richtung noch nichts ganz Bestimmtes sagen, da ich noch keineswegs entschlossen bin und sein kann, wann und wie ich reise. – Nun weißt Du also Alles, was sich bei mir ereignet hat, ich freue mich aus diesem Nest endlich herauszukommen und endlich einmal aus vollem Herzen pathologische Anatomie arbeiten zu können, die ich freilich eigentlich in den letzten 2 Jahren fast ausschliesslich schonb cultivirt habe. Noi vedremo!

Dass Du Dein kleines Bräutchen, dessen ich mich freilich leider etwas düster noch erinnere, gar mir zugedacht hättest, hat mich wohl gerührt, aber ich will doch hoffen, dass Du ihr nichts davon gesagt hast; mit mir wäre auch nichts aufzustellen gewesen, denn ich habe einen harten Schädel. Indem ich mir einige gute Prognostika für später zu erzählen aufspare, wünsche ich Dir wie Deiner Braut, der ich meine ergebenste Empfehlung zu machen bitte, nochmals das Beste und schliesse schleunigst in alter Liebe

Als der kleine

Beckmann.

a gestr.: Pathe; eingef.: Gevatter; b eingef.: schon

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.07.1858
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7828
ID
7828