Beckers, Hans

Hans Beckers an Ernst Haeckel, o. O., 6. März 1915

Sonntag den 6/3 15.

Geehrter Herr Professor!

Zunächst einen freundlichen Gruß, und meinen wärmsten Dank für Ihre freundlichen Zeilen und belehrenden Schriften. Ich bin sehr erfreut, über Ihre liebe Zusage und Hülfe, und will auch eifrig bestrebt sein, mich ihrer würdig zu zeigen. – – – Nach Empfang Ihrer Sachen, war natürlich mein erstes: die genaue und ausführliche Lektüre der „monistischen Thesen“. – Und zwar zusammen mit meinem Freunde und Gesinnungsgenossen. Jede einzelne These haben wir gründlich und kritisch geprüft und analysiert! – – Das Ende davon war: „Unsere Ansichten harmonieren voll und ganz mit Lehrsätzen des Monismus“, – „unsere“ sag ich – ich war schon längst überzeugt, – – nun aber auch mein Freund! – – Und nun haben wir beide || den Wunsch, uns einer monistischen Gemeinde anzuschliessen, bez. Abonenten von monistischen Zeitschriften zu werden! – – Denselben Wunsch haben auch noch einige andere Freunde von mir, ausgedrückt.

– Aber wissen Sie, Herr Professor, diese „anderen“ sind noch nicht in allem „durch“ – noch nicht von allem, was der Monismus lehrt, ganz überzeugt – und da möchte ich ihnen nicht raten, bevor sie nicht voll und ganz überzeugt sind, a zum Monismus überzutreten. – Ich habe einen förmlichen Widerwillen gehen solche „Halbmitglieder“, diese Mitläufer einer großen Sache. Eine so herrlicheb und edle Gemeinschaft, wie sie der Monismus darstellt, soll nur überzeugte, und der großen Sache würdige Menschen als Anhänger zählen. Freunde und echte Kameraden sollen sie untereinander sein, ein jeder davon bestrebt, die wahre, reine Vernunft, als Richtschnur und Ziel zu betrachten, seine Mitmenschen zu lieben, || und alle Kräfte im Dienst der großen Sache zu stellen; sein Letztes hergeben um der edlen, monistischen Lehre, – volle Würdigung zu verschaffen. – –

Aber ich bin eifrig bestrebt, meine Freunde aufzuklären; – jeden Tag, wenn es die Zeit erlaubt, rufe ich sie an einen stillen Ort, oder vielmehr, in einer stillen Ecke dieses stählernen Körpers, zusammen. – Dort tauschen wir unsere Gedanken aus, – gegenseitig aufklärend und unterstützend.

– – Und wir kommen der Wahrheit immer näher.

– – Oh, wie bin ich glücklich, wenn ich einen, von einem noch anhaftenden traditionellen Vorurteil, befreit habe, – – jeder kleine Erfolg macht mich überglücklich! – – –

Doch darüber, in einigen Tagen ausführlicher! –

– Nun möchte ich Sie, herzlichst bitten, mir die Statuten der monistischen Gemeinschaft zuzusenden || bezw. meine Aufnahme zu bewirken. – Ich wäre Ihnen sehr dankbar. – Auch möchte ich einige monistische Zeitschriften beziehen, – – – Teilen Sie mir bitte auch das Verlag der Schrift „Gott-Natur“ mit. – – Und nun möchte ich Sie herzlichst bitten, mich nicht mit „Herr“ anzureden. Oh, das klingt mir so fremd, – – und auch das „Sie“ c mir gegenüber, mag ich nicht so recht leiden. – – ich bin ja noch so jung (23 J.) und Ihr ehrwürdiges Alter, hat das volle Recht, einen jungen Mensch, wie ich, mit „du“ anzureden. – –

– – Doch ich fühle es, – Sie, Herr Professor, sind mein geistiger Vater, – Sie sind mir lieb und teuer. – –

– Verzeihen Sie mir bitte diese Gefühlsäußerungen. – Doch mache [!] Sie mir bitte die Freude, und erfüllen meinen Wunsch? – Nun leben Sie wohl. –

Einer freundlichen Zusage Ihrerseits, entgegensehend

verbleibt mit herzlichem Gruß

Ihr Hans Beckers.

a gestr.: sich; b korr. aus: herrlicher; c gestr.: fu

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.03.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7813
ID
7813