Becker, Ida

Ida Becker an Ernst Haeckel, Hagen, 30. Juli 1904

Hagen / Westfalen 30. Juli 1904.

Hochverehrter Herr Professor!

Herzlichen Dank für Ihre gütigen Zeilen, sowie für die werten Mitteilungen; habe mich bereits bemüht, im [!] Besitze der Zeitschriften zu gelangen, bin jedoch sehr neugierig in welcher Beziehung diese Beobachtungen zu den meinen stehen. Mein hochverehrter Herr Professor! Sie haben recht wenn Sie sagen ich stoße auf Schwierigkeiten, schwer ist das Problem, seitdem ich aber Ihre Welträtsel gelesen, ist mir nichts zu schwer, weil || ich nun weiß, daß Alles auf natürlichem Wege vorsich geht und gehen muß.

Der Alltagsmensch glaubt, es sei Sache des lieben Gottes und denkt darüber nicht weiter nach denken zu dürfen, man ruft mir öfters zu ob ich Gott verzeihen wollte, das schreckt mich jedoch nicht zurück. Mein verehrter Herr Professor. Sie zürnen mir doch nicht wenn ich noch ein wenig mit Ihnen plaudere, denn Sie verstehen mich und glaube ich Herrn Professor meine Gedanken schreiben zu dürfen.

Die „Welträtsel“ haben mich ganz aufgeklärt, mir ist als könnte ich viel besser denken es liegt Alles so klar vor meinen Augen, so daß auch || ich mir meinen Gott gemacht habe. Die Welt, das ist der allmächtige Gott! und teile ich diesen Gott auf in drei Personen: Die Erde (als Vater), sonach das Haupt schließt das ganze Leben in sich; die Sonne (als Sohn) als Stütze des Vaters, sehen wir doch tagtäglich was die Sonne alles schafft; und nun der Mond (als Geist) der darüber schwebt) hat er noch nicht so was geisterhaftes an sich, wenn ich mich so ausdrücken darf, er erfordert doch noch am meisten Studium, er liegt nicht so klar vor uns wie die Erde und die Sonne, ist es nicht so hochverehrter Herr Professor?

Dies Alles spornt mich immer wieder von neuem an, ich glaube sicher || daß wenn Herr Professor es gestatten, in nicht allzulanger Zeit ich Ihnen Mitteilung über meine Fortschritte machen kann. Empfangen Sie Herr Professor nochmal meinen innigsten Dank für Ihre Güte sowie Bemühungen.

Ihre werten Zeilen sind für mich ein Kleinod was ich jederzeit hoch schätzen werde.

Mit freundlichem Gruß

Hochachtungsvollst

Frau Ida Becker.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.07.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7803
ID
7803