Franz Becker an Ernst Haeckel, Wörishofen, 16. Mai 1914
F. KREUZER, HOTEL U. KURANSTALT
TELEGRAMM-ADRESSE:
KREUZERBAD WÖRISHOFEN.
WÖRISHOFEN, DEN 16 Mai 1914
Bayern
Verehrter Herr Professor,
Ich bestätige Ihnen meine ergebenen Zeilen von Sierre und erlaube mir nun, Ihnen meine neue Adresse (für 2–3 Wochen) aufzugeben, im Falle Sie mir betr. der Schwäche Ihre Ansicht mittheilen zu wollen. –
Ich habe Ihre Schrift „Gott-Natur“ mit dem größten Interesse gelesen; es ist ein wundervolles, interessantes und lehrreiches Buch, und ich freue mich, daß Sie es noch geschrieben haben, denn es ist ein „nothwendiges“ Buch und erscheint zur rechten Zeit. –
Auch die Aufmachung ist sehr gediegen, in jeder Beziehung und der Preis für Jedermann erschwinglich. –
Wie schade, daß die „Bausteine“ nicht auch bei Kröner erscheinen konnten, denn die gegenwärtige Aufmachung ist nicht nur unschön und plump, aber der Preis von M. 3.- ist nicht zu hoch. –
Ich habe an Dr. B. geschrieben, daß er zu dem Preise, keine 5000 Exemplare absetzen werde und bin ich neugierig ob ich Recht behalten werde. –
Goethe hat gesagt, daß ein guter Wein, aus || einem schönen Becher getrunken werden solle; meiner Ansicht nach, muß ein gutes Buch, auch eine gediegene, vornehme Aufmachung haben. –
Hoffentlich erscheint nun sehr bald, das zweite Heft der „Bausteine“ mit Ihrem Aufsatz über „Mystick“. – Es wird nämlich, gegenwärtig bei Basel eine Art Tempel gebaut, für den Dienst des „Occultismus“ und Wohnungen für seine Anhänger! Wenn ich richtig informirt bin, solle die ganze Ansiedlung fs 500.000.- kosten! Vielleicht haben Sie auch etwas darüber gehört? Es klingt unglaublich, aber es scheint mehr zu sein, denn ich habe vor ein paar Wochen, eine Photographie von dem halbfertigen Bau gesehen. –
Ja, Ja, der Priester Loyale hat auch gewusst, warum er den Jesuitenorden gegründet hat!
Hoffentlich wird sich das „Monistische Jahrhundert“ mit dem Bau und der Siedlung beschäftigen, das gäbe ein paar interessante Artikel. –
Ich begrüße Sie, verehrter Herr Professor,
hochachtungsvollst und ergebenst
Franz Becker