Franz Johann Becker an Ernst Haeckel, Schwyz, 7. November 1913

Schwyz, den 7 Nov. 1913

z. Z. Hôtel Rössli

Verehrter Herr Professor,

Für Ihren langen, freundlichen Brief, sowie die gesandten Drucksachen sage ich Ihnen meinen besten Dank. –

Ich schätze mich glücklich, daß ich Ihnen mit meinem letzten Brief und dessen Inhalt, in Ihrem hohen Alter, noch eine „hohe Freude“ bereitet habe, wie Sie sagen, nach alle den Anfeindungen und Verleumdungen, denen Sie ausgesetzt waren. –

Seitdem ich nach einem ca 25jährigen Aufenthalt in London, in die Schweiz zurückgekehrt bin, vor etwa || 10 Jahren, habe ich gelernt, was es heißt, sein eigenes Leben leben zu wollen, breite Ideen zu haben, der Wahrheit zu dienen und Abscheu vor Heuchelei zu haben. –

Es giebt nicht bald eine Mensch in meiner Lage, der so viele Neider, Anfeinder und hauptsächlich Verleumder gehabt hat und noch hat, wie ich;

Und doch habe ich immer das „Gute gewollt“ stets redlich gehandelt und noch keinem Menschen etwas zu Leide gethan. Aber man gewöhnt sich, an Alles und es ist schließlich auch eine Genugthuung zu wissen, daß man beneidet wird. –

Entschuldigen Sie gefl. diese || persönlichen Bemerkungen, aber auf Ihren Brief hin und die schöne Karte mit Ihrem Portrait, ist es mir ein Bedürfniß, Ihnen über mich Näheres mitzutheilen. –

Es ist wirklich ein ganz wunderbarer Zufall, daß ich Ihnen mein Testament eingesandt habe, zu Gunsten der Entwicklungslehre und des Monismus, in dem Moment wo gerade eine Ernst-Häckel-Stiftung für Entwickelungslehre und ein Ernst Häckel-Schatz für Monismus gegründet werden, oder erst kürzlich gegründet worden sind. –

Als ich mein Testament abfaßte, hatte ich keine Ahnung, von diesen beiden „Entwickelungen“. ||

Es ist schon längt mein Wunsch Ihr Phyletisches Museum zu besuchen und da Sie nun so freundlich sind, mich dazu aufzufordern so will ich die Reise unbedingt machen; jetzt ist es mir aber nicht möglich, da ich ausziehe und die nächsten paar Wochen hier bleiben muß. –

Die Hauptsache ist, daß das Testament in Deutschland und der Schweiz notarisch gültig anerkannt wird und daß vorher die erwähnten Abänderungen gemacht werden; wenn die der Ernst-Häckel-Schatz für M. theilend ist, und also, ich nehme an, das Kapital nicht angreifbar ist, oder wenigstens nur bis zu einer gewissen Summe, damit sich der Schatz immer wieder erholen kann. –a so will ich gerne die 2 Hälfte diesem Schatz zuwenden;

Betr. Des ersten Theils, sob wollen || wir denselben dem Phyletischen Museum, überlaßen. Ich habe mir nämlich die Sache so gedacht, daß, wenn einmal etwas für das Museum anzuschaffen ist, man später einmal sagen würde, „wir nehmen es aus dem Nachlaß-Becker“!

Betr. Die Deutsche Bank. – Solange ich in der Schweiz wohne, wird es wohl das Beste sein, ich lasse mein Geld noch hier; ich gehe aber schon längst mit der Idee um, die Schweiz zu verlaßen. – Wo ich mich schließlich niederlaßen werde, wird sich diesen Sommer entscheiden. –

Ich habe auch schon daran gedacht, dem Monistenbund einige Stunden je Tag, von meiner freien Zeit zur Verfügung zu stellen. – Da ich die französische || und die englische Sprache in Wort und Schrift, vollständig beherrsche so könnte ich vielleicht dem Internationalen Monisten Bund in Hamburg von Nutzen sein; natürlich unentgeltlich. – Am liebsten würde ich mich mit der Propaganda beschäftigen; aber Hamburg liegt mir etwas zu nördlich und da ich mir in England, eine sogenannte englische Leber geholt habe, so bin ich während der kalten Jahreszeit nie recht wohl! –

Ich verbleibe, verehrter Herr Professor,

mit aller Hochachtung

Ihr ergebener

Franz Becker.

a eingef.: oder wenigstens nur bis zu einer gewissen Summe, damit sich der Schatz immer wieder erholen kann. –; b eingef.: so

Brief Metadaten

ID
7768
Gattung
Brief ohne Umschlag
Verfasser
Entstehungsort
Schwyz
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
07.11.1913
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
6
Umfang Blätter
3
Format
13,6 x 21,5 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7768
Zitiervorlage
Becker, Franz Johann Jakob Emil an Haeckel, Ernst; Schwyz; 07.11.1913; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7768