Leopold Besser an Ernst Haeckel, Asyl Pützchen bei Bonn, 28. September 1887
DR. BESSER, ASYL PÜTZCHEN BEI BONN, 28/Sptbr. 1887
Mein verehrter Herr
Professor!
Wieder hielt Virchow am 22/A. in Wiesbaden eine jener formvollendeten Reden, die der großen denkfaulen Masse ein Evangelium sind. Wie Zeus stieg er unter Beifalls-Getöse vom Lese-Pult. „Er ist Darwin’s „Freund“, nicht „Anhänger““; keine wirklich feststehende Thatsache existire, die beweise, daß der Mensch in den Thierreiche seine Vorstufen habe; nichts erweise einen Prä-Anthropod p.p. ||
Unmittelbar darauf bestieg die Jugend-Frische Detmer das Katheder u. zeigte so klar die Entstehung des Organischen aus dem Anorganischen im Vorgang der pflanzlichen Assimilation. Der Olympier hatte den Saal verlassen.
Was will nun Virchow mit seiner weißen Salbe, seinem Nicht-Bebauen, seinem Offenlassen der Entscheidung? Ist es naturwissenschaftlich exacter Radicalismus? Ist es methodische Strenge?
Aber da er zugibt, daß der Erdball feuerflüßig war, muß er nicht das Entstehen concordiren? Und ist es anständig, da wir das „Wie“ noch nicht kennen, das „daß“ er entstanden“ nicht laut zu bekommen?! Drängt uns denn heute nicht Alles solch ein Bekenntniß auf die Lippen! ||
Nun, Bester, lesen Sie die Rede Virchow’sa u. sichern Sie sich die ungetheilteste Dankbarkeit der ganzen logisch denkenden Welt der deutschen Naturforscher dadurch, daß Sie Virchow Sptember 88 in Köln antworten! Ach thun Sie es, Sie können damit die Atmosphäre der dunstigen Verschwommenheit u. der nebelhaften Unklarheit mit einem Male u. für immer zerreißen, die jetzt b den Halben gestattet, nach allen möglichen Seiten Auslug nach Errettung vor dem „schrecklichen Neuen“ zu halten.
Ihr
Dr. Besser.
a eingef.: V’s; b gestr.: da