Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn, 2. Oktober 1899

Bonn 2. Okt. 99.

Verehrtester Herr Professor,

Die Landschafts-Aquarellea absorbirten jedes Stiftchen, so daß kein Gruß für mich abfiel. Ganz tief unten sitze ich auf der Freundschaftsleiter. Wenn ich nur überhaupt noch darauf sitze – dann will ich mich schon mit der untersten Sprosse begnügen lernen. Hoffentlich haben Sie Erholung und Muße in Corsica u. Sardinien gefunden. Ob auch noch etwas aus Sicilien geworden sein mag? Jetzt ist nun der Oktober bereits da, der uns, Mitte oder Ende, Ihren lieben Besuch bringen soll. Da nun unsere Correspondenzen im tiefen Dornröschenschlaf versunken, so bin ich so kühn Sie an Ihr Versprechen zu mahnen! Ich war eine Woche in Baden-Baden und zwar im Sanatorium Frey-Gilbert. Habe 24 Wildbäder genommen, meinen Vagus franklinisiren lassen, Heil-Gymnastik getrieben, strenge Diät gehalten, – kurzum den Kadaver mal energisch umgebuttert, und wenn auch mein Nervensystem noch nicht alle neuralgischen Mucken verloren hat, ich fühle mich wieder frisch und jung, der Humor verjagt den Pessimismus wieder. Aufgejubelt habe ich, als ich in Ihrem herrlichen Werke, die Welträthsel; an das || Kapitel über den römischen Wahnsinn kam. Haben Sie warmen Dank für die Uebersendung durch Strauss. Ich habe gar fleißig darin gelesen und mir viele Stunden dadurch werthvoll und genußreich gemacht. Wenn Buffon Recht hat mit seinem Ausspruch „le styl c’est l’homme“, dann sind Sie selbst wie ein Krystall. Immer wieder von neuem, muß ich die herrliche, klare Sprache bewundern! Für einen Morallisten, der nur unterhalten will, ist das nicht schwer, aber wissenschaftliche Probleme zu lösen, zu begründen mit solcher Klarheit und Eleganz, macht Ihnen Niemand nach! –

Wenn Sie jetzt zu uns kommen, will ich’s Ihnen aber auch ganz anders behaglich machen wie das letzte Mal! – Und recht vergnügt wollen wir sein. Aber kommen Sie nicht wieder als Sternschnuppe, sondern als Fixstern für unsern Himmel! – Das rheinische Klima ist ein nothwendiges Uebergangsstadium von Sicilien nach Jena! Ihr alter Feind, der Gelenk-Rheumatismus, wird sich bei dem schauderchen [!] September hoffentlich nicht gezeigt haben. Meinem lieben Alten gehts recht gut (unberufen) und die jungen Mädchen werden mit mir die Tage zählen, bis wir Sie, verehrter Herr Professor hier begrüßen dürfen. Ein Kärtlein bekomme ich, endlich, gelt? Ein kleines Lebenszeichen, bitte! Mit tausend herzlichen Grüßen

Ihre treu ergebene

Käthe Besser

a korr. aus: Aquarellen

Brief Metadaten

ID
7554
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
02.10.1899
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
2
Umfang Blätter
1
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7554
Zitiervorlage
Besser, Käthe an Haeckel, Ernst; Bonn; 02.10.1899; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7554