Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn-Poppelsdorf, 9. September 1898

Bonn-Poppelsdorf 9.9.98

Sehr verehrter Herr Professor,

Mein Mann und ich waren wirklich von Herzen froh, endlich mal Nachricht von Ihnen zu erhalten. Was habe ich Sie im Geiste wegen der strapaziösen Reise bei der tropischen Hitze beklagt und bedauert! Wenn Dante solche Qualen erduldet, würde er seiner langweiligen Komödie sicher noch einen Gesang hinzugefügt haben. Das Museum von Wirtz war bei 28 Grad Réamur im Schatten, ebensolche Probe auf Ihren „guten“ Herzmuskel, wie die Fahrt über den Kanal und der Aufenthalt bei den Ihnen so äußerst sympathischen Angelsachsen, || die Sie in Purpur kleideten. Wäre gern dieser vorsündfluthlichen Ceremonie Zeuge gewesen, schon um Sie in der Bischoffsmütze zu sehen. Sollte Jehova dieselbe nicht gleich in Staub zerfallen lassen, nachdem sie ein so anti-göttlich denkendes Barbarum gekrönt hat? Welch intensiven Genuß verdanke ich Ihnen lieber Herr Professor, durch die Lektüre Jehova’s gesammelter Werke. Die Sprache, die schneidende Satire, Alles ist kostbar, nur bin ich zu pessimistisch, um dem Werk die Wirkung, den Götzentempel genannt Kirche, zu erschüttern, zuzuschreiben. Mein guter Alter hat mir das Buch gleich nach Ihrer Abreise dedicirt und jeden Abend las ich eina Kapitel aus dieser || meiner Bibel. Nun freue ich mich schon wieder auf Ihre indischen Reisebriefe! Ich hätte schon noch gern Ihrem Bucheb etwas beigelegt. Nämlich Ihre Photographie, verehrter Herr Professor. Die unter Glas und Rahmen in meines Mannes Zimmer, ist doch halt nicht mein Eigenthum. Eine unbescheidene Frau die Frau Besser, nicht wahr?

Ihre Gastrula hat also auch gestreikt? Vor Ihnen sollten doch selbst die kleinsten Biester, die Bakterien, Respekt haben. Meine Wenigkeit ist längst wieder hergestellt bis auf den unheilbaren vagus. Aber für Rheumatismus ist doch bei dieser beständigen trockenen Witterung gar kein Anlaß, zumal bei Ihrer seltenen Entsagungs-Fähigkeit dem schönen Alkohol gegenüber, schon || mehr Temperenzler. Schade, daß Sie um die Alpen gekommen sind! Nun vielleicht desto sicherer genießen Sie dieselben nächstes Jahr und könnten wir uns dann irgend wo treffen? Das wäre herrlich! Lieber als solch ein château d‘Espagne wäre uns Ihr längerer Besuch hier als realer Beweis daß Sie sich in unserm einfachen Landhause behaglich gefühlt haben. Bitte, bitte setzen Sie uns bei Zeiten auf Ihr 99er Programm. Mein Mann hat Logirbesuch von einem alten Freunde aus Berlin, dem früheren Waisenhausdirektor Wilski – und seine Feder ist so mit Düsseldorf besetzt, daß er Ihnen verehrtester Herr Professor erst in einigen Tagen ausführlich schreiben wird und Sie bitten läßt, ihn bis dahin zu entschuldigen.

Das Bücherpaquet geht heute an Sie ab. Hoffentlich hören wir recht Gutes über den Erfolg der Ruhe für Ihr Befinden. Tausend herzliche Grüße von uns Beiden.

Ihre

sehr ergebene

Käthe Besser.

a korr. aus: einen; b eingef.: Ihrem Buche

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
09.09.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7536
ID
7536